Vier Jahre nach Drama
Brückeneinsturz in Genua: 59 Personen vor Gericht
Rund vier Jahre nach dem Brückeneinsturz in Genua mit 43 Todesopfern beginnt am Donnerstag der Prozess. Es sind insgesamt 59 Menschen angeklagt: Darunter Giovanni Castellucci, Ex-Chef der Autobahngesellschaft „Autostrade per l‘Italia“, die die eingestürzte Brücke betrieben hatte.
Der Vorwurf lautet auf Fahrlässigkeit, Behinderung der Verkehrssicherheit, Fälschung und vorsätzliches Weglassen von Sicherheitsvorkehrungen. Eine Untersuchungsrichterin hatte im April die Vergleichsangebote der Autobahngesellschaft ASPI und ihrer früheren Wartungseinheit SPEA angenommen. Die beiden Unternehmen haben insgesamt rund 30 Millionen Euro gezahlt, um ein vollständiges Verfahren zu vermeiden. Die Staatsanwaltschaft hatte sich mit dem Vergleich einverstanden erklärt.
Neuer Chef sagt gegen alte Führungsspitze aus
Die Autobahngesellschaft ASPI steht unter Kontrolle der börsennotierten Atlantia-Holding. Der aktuelle Chef des Unternehmens, Roberto Tomasi, ist als Zeuge der Anklage im Prozess vorgeladen. Sein Name steht zusammen mit 177 weiteren Zeugen auf der Liste, die die Staatsanwaltschaft dem Gericht im Vorfeld der ersten Anhörung am Donnerstag eingereicht hat. Der neue CEO wird gegen die alte Führungsspitze des Konzerns aussagen.
Schäden an Brücke sollen Verantwortlichen bekannt gewesen sein
Bei den Angeklagten handelt es sich um hochrangige Manager des Autobahnbetreibers, um Fachleute und höhergestellte Beamte des Verkehrsministeriums in Rom. Der Staatsanwaltschaft von Genua zufolge hatten die meisten Verdächtigen mit dem Einsturz der in den 1960er-Jahren gebaute Brücke gerechnet und trotzdem nichts unternommen, um ihn zu verhindern, weil sie bei der Instandhaltung möglichst viel Geld einsparen wollten, um den Aktionären höhere Dividenden zu sichern. Es soll schon lange vor dem Einsturz bekannt gewesen sein, dass es Schäden an dem Bauwerk gab.
„Wir hoffen, dass der Prozess zügig voranschreitet und endlich die Wahrheit um die Fahrlässigkeit bei der Instandhaltung der Brücke ans Licht kommen wird“, betonte Egle Possetti, Sprecherin der Angehörigen der Opfer des Unglücks. Beim Einsturz der Morandi-Brücke hatte sie eine Schwester, deren Mann und deren zwei Kinder verloren.
Autos stürzten 40 Meter in die Tiefe
Der Einsturz im August 2018 löste in ganz Italien Bestürzung aus. Das Unglück hatte sich bei strömendem Regen ereignet, während Familien auf dem Weg zum Sommerurlaub in Ligurien waren. „Ich habe einen Blitz in die Brücke einschlagen sehen - und dann brach das Viadukt in sich zusammen“, berichtete eine Augenzeugin. Fahrzeuge stürzten 40 Meter in die Tiefe und verkeilten sich in den Trümmern. Hunderte, die unter der Hochbrücke wohnten, wurden obdachlos. Die Reste des Bauwerks wurden abgerissen. Im August 2020 wurde eine neue, vom Stararchitekten Renzo Piano entworfene Brücke eingeweiht, die „Ponte San Giorgio“ heißt.
„Der Brückeneinsturz ist Genuas Ground Zero. Für uns Genueser ist der Einsturz der Morandi-Brücke eine schreckliche Tragödie. Wir trauern um die Todesopfer, wir schauen aber gleichzeitig in die Zukunft“, sagte der Bürgermeister der Stadt, Marco Bucci.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.