Neal Schon fühlt sich frei wie lange nicht. Der Gitarrist und Gründer der Rock-Ikonen Journey hat vor kurzem die Rhythmusfraktion und das langjährige Management seiner Gruppe ausgetauscht. Um vieles kümmert sich der 68-Jährige inzwischen selbst. „Es war Zeit für eine große Reinigung“, sagt Schon im dpa-Gespräch Der Musiker, der aus seinem Zuhause in Marin County nahe San Francisco spricht, sprüht vor Tatendrang und schwärmt von einem „kompletten Neuanfang“ für Journey.
Schon hatte Journey - nach seinem Ausstieg bei Santana - 1973 in San Francisco ursprünglich als Progressive-Rock-Band gegründet. Mit Leadsänger Steve Perry und radiotauglichen Rocksongs wurden Journey Anfang der 80er-Jahre vor allem in Nordamerika zu Superstars, machten sich in Europa aber lange Zeit rar. Seit einigen Jahren füllen Journey in ihrer Heimat wieder ganze Stadien. Dass Hits wie „Don‘t Stop Believin‘“ oder „Separate Ways“ in Filmen und TV-Serien zu hören waren, bescherte Journey neue Generationen von Fans.
Endlich wieder ein Album
Unter dem passenden Titel „Freedom“ erscheint nun das erste Studioalbum seit elf Jahren, das dritte mit dem philippinischen Leadsänger Arnel Pineda. Es ist etwas rockiger als manche Vorgänger, insgesamt bleiben Schon und sein langjähriger Songwriting-Partner und Keyboarder Jonathan Cain sich jedoch treu. „Es ist wichtig, dass man Material hat, bei dem die Leute sofort raushören, dass es ein Journey-Song ist“, sagt er und verweist auf „Don‘t Give Up On Us“.
Dass der Song ein wenig an den Klassiker „Separate Ways“ erinnert, ist eher Zufall. „Warum sollten wir versuchen etwas zu kreieren, das wir schon vor Jahren kreiert haben“, sagt Schon und betont, er wolle keine Hits recyceln. „Wofür brauchen wir ein Duplikat, einen Song, der wie ein anderer klingt? Bei einem Livekonzert hat der keine Chance, weil man nicht auf den bekannten Hit verzichtet, um einen unbekannten Song zu spielen. Selbst wenn es ein tolles Lied ist.“
Auch etwas Füllmaterial
„Freedom“ ist im Rahmen des Journey-Klangspektrums einigermaßen vielseitig. Das siebenminütige „Beautiful As You Are“ erinnert an „Infinity“, das erste Album mit dem damaligen Sänger Perry. „You Got The Best Of Me“ zeigt die Band deutlich rockiger. „After Glow“ ist eine dieser Balladen, mit denen Journey in den 80er-Jahren ihre größten Hits feierten. In viele Songs muss man sich erst reinhören. Die lange Laufzeit von 75 Minuten enthält auch Füllmaterial.
Produziert wurde „Freedom“ von Narada Michael Walden. Der einstige Schlagzeuger des Mahavishnu Orchestra, der Superhits für Whitney Houston, Starship und Aretha Franklin produzierte, spielt auch auf dem Album und sollte eigentlich dauerhaftes Mitglied werden. Doch es kam anders. „Was geplant war und was passiert ist, sind zwei verschiedene Dinge“, sagt Schon. Auch Basslegende Randy Jackson (Madonna, Billy Joel, Herbie Hancock) ist nur auf dem Album zu hören. Gesundheitliche Probleme spielten laut Schon auch eine Rolle.
Rehabilitiert
Wichtigster permanenter Neuzugang bzw. Rückkehrer ist Ex-Drummer Deen Castronovo, der nach einem Drogenausfall und einer Verhaftung wegen häuslicher Gewalt 2015 gefeuert wurde. Inzwischen soll er clean sein. Castronovo, ausgestattet mit einer fantastischen Stimme, singt beim Song „After Glow“ und trommelt in Zukunft wieder live für Journey. „Ich habe vorgeschlagen, dass Deen zurückkommt“, erzählt Schon und gibt zu: „Einige Mitglieder fanden das überhaupt nicht gut.“
Animositäten sind bei Journey nichts Neues. Bassist und Co-Gründer Ross Valory wurde gerade zum zweiten Mal gefeuert. Gehen musste auch Drummer Steve Smith. Die Trennung fand vor Gericht statt und endete in einer gütlichen Einigung. Laut Schon hatten Valory und Smith einen Putschversuch geplant, um die Kontrolle über die Band zu übernehmen. Die Geschassten haben sich dazu bisher nicht öffentlich geäußert.
Zweckbeziehung
Angesprochen auf das Verhältnis zu seinem tief religiösen Kollegen Cain, das mittlerweile als schwierig gilt, sagt Schon: „Wir schreiben immer noch gute Musik zusammen.“ Der Gitarrist grinst vielsagend. „Und wenn man so lange mit jemandem zusammen ist, dann entwickeln sich die Leute in ihrem Leben in unterschiedliche Richtungen.“
Beachtlich, dass es Schon und den hervorragenden Musikern, mit denen er arbeitet, trotz aller persönlicher Differenzen gelungen ist, ein gutes Album aufzunehmen - vielleicht ein Vorteil der räumlichen Distanz bei den Aufnahmen während der Pandemie. Mit früheren Werken der Melodic-Rock-Giganten kann „Freedom“ zwar keineswegs mithalten. Es reicht aber, um die Konkurrenz alt aussehen zu lassen.
Endlich wieder Europa
Für europäische Fans hat der Managementwechsel übrigens einen positiven Nebeneffekt. „Einige Manager wollen nicht, dass du außerhalb ihres Hoheitsgebiets erfolgreich bist“, erzählt Neal Schon. Nach mehr als einem Jahrzehnt will der Gitarrist mit Journey nun endlich wieder nach Europa kommen. „Wir freuen uns definitiv sehr darauf. Wir sehen uns dort im nächsten Jahr.“
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