Die Familien zweier junger Mädchen, die im Vorjahr infolge der sogenannten Blackout-Challenge auf TikTok gestorben sind, haben in den USA Klage gegen den chinesischen Betreiber der populären Kurzvideo-App, Bytedance, eingereicht. Sie machen die „gefährlichen“ Algorithmen der Social-Media-Plattform für den Tod ihrer Kinder verantwortlich.
In der laut „Guardian“ am Dienstag bei einem Bezirksgericht von Los Angeles eingereichten Klage werfen die Eltern TikTok vor, mit seinem Algorithmus „absichtlich und wiederholt“ Videos der Blackout-Challenge in die Feeds der Kinder gepusht zu haben, um sie zur Teilnahme an der Herausforderung, bei der Nutzer aufgefordert sind, sich so lange selbst zu würgen, bis sie ohnmächtig sind, zu motivieren.
„TikTok muss für die Verbreitung tödlicher Inhalte an diese beiden jungen Mädchen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte Anwalt Matthew P. Bergman vom Social Media Victims Law Center (SMVLC), das die Familien vor Gericht vertritt. SMVLC ist eine juristische Anlaufstelle für Eltern von Kindern, die durch Social-Media-Sucht und -Missbrauch geschädigt wurden. „TikTok hat Milliarden von Dollar investiert, um absichtlich Produkte zu entwickeln, die gefährliche Inhalte verbreiten, von denen das Unternehmen weiß, dass sie gefährlich sind und zum Tod der Nutzer führen können“, so Bergman.
Ein Opfer, die achtjährige Lalani Erika Renee Walton aus Temple, Texas, war laut Polizeiangaben am 15. Juli 2021 gestorben - „als direkte Folge des Versuchs der ,Blackout Challenge‘ von TikTok“, wie es in der Klage heißt. Dem Bericht nach hatte sie zu ihrem achten Geburtstag im April 2021 ein Handy geschenkt bekommen und war daraufhin laut Klage „schnell süchtig nach TikTok-Videos“ geworden. Sie habe oft Videos von sich selbst gepostet, in denen sie sang und tanzte, in der Hoffnung, „TikTok-berühmt“ zu werden.
Mädchen erkannten Gefahr nicht
Im Juli 2021 bemerkte ihre Familie Blutergüsse an Lalanis Hals, die das Mädchen jedoch als Unfall abtat. Was die Eltern zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, war, dass Lalani begonnen hatte, an der Blackout-Challenge teilzunehmen, die schon Wochen zuvor in ihrem Feed aufgetaucht war. Am Tag ihres Todes hatte Lalani auf einem Familienausflug stundenlang Videos angeschaut, darunter auch Beiträge über die Challenge.
„Sie glaubte, dass sie berühmt werden würde, wenn sie ein Video von sich selbst bei der Blackout-Challenge posten würde, und so beschloss sie, es zu versuchen“, heißt es in der Beschwerde. „Lalani war zu diesem Zeitpunkt acht Jahre alt und erkannte oder verstand nicht die Gefährlichkeit dessen, wozu TikTok sie aufforderte.“
Das andere in der Klage genannte Opfer, die neunjährige Arriani Jaileen Arroyo aus Milwaukee im US-Staat Wisconsin, hatte im Alter von sieben Jahren ein Smartphone erhalten und nutzte TikTok laut Klage mehrmals am Tag. Sie sei „allmählich besessen“ vom Posten von Tanzvideos und „süchtig“ nach der App geworden, hieß es.
Von ihrer Familie auf den tödlichen Ausgang einer TikTok-Challenge angesprochen, versicherte das Mädchen noch im Jänner 2021, dass es niemals an derart gefährlichen Herausforderungen teilnehmen würde. Nur einen Monat später, am 26. Februar, wurde sie von ihrem fünfjährigen Bruder bewusstlos aufgefunden. Sie sei in ein örtliches Krankenhaus gebracht worden, wo man die lebenserhaltenden Maßnahmen schließlich beendet habe, berichtete der „Guardian“.
„Gewinn über Gesundheit gestellt“
„TikTok wusste zweifellos, dass sich die tödliche Blackout-Challenge über seine App verbreitete und dass sein Algorithmus gezielt Kinder mit der Blackout-Challenge fütterte, darunter auch solche, die gestorben sind“, heißt es in der Klage. „TikTok stellte höhere Unternehmensgewinne über die Gesundheit und Sicherheit seiner Nutzer und insbesondere über die Gesundheit und Sicherheit gefährdeter Kinder, von denen TikTok wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sein Social-Media-Produkt aktiv nutzen“, so der Vorwurf des SMVLC.
Familien fordern Schadenersatz
Die Familien der beiden Mädchen fordern daher Schadenersatz in unbestimmter Höhe und haben ein Schwurgerichtsverfahren beantragt. Gegenüber dem „Guardian“ wollte sich TikTok zunächst nicht zu der Causa äußern. Erst Mitte Mai hatte die App nach dem Tod eines zehnjährigen Mädchens im US-Staat Pennsylvania die Verantwortung von sich zurückgewiesen: „Diese beunruhigende ,Herausforderung‘, von der die Leute anscheinend aus anderen Quellen als TikTok erfahren, gab es schon lange vor unserer Plattform und war nie ein TikTok-Trend“, so ein Unternehmenssprecher damals.
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