Gesundheit hat im österreichischen Bundesheer in unruhigen Zeiten einen besonders hohen Stellenwert. Viele Jungmänner bereiten aber Sorgen, wie Brigadier DDr. Sylvia Carolina Sperandio berichtet.
Die Gesundheit unserer Soldaten liegt in den fachkundigen Händen einer Frau im Generalsrang: DDr. Sylvia Carolina Sperandio. Sie ist Ärztin und Doktor für Psychotherapiewissenschaften. Angesprochen wird sie mit „Frau Brigadier“. Freundlich stellt sich die medizinische Chefin von 14.800 Berufssoldaten (davon 615 Frauen) sowie jährlich rund 50.000 Stellungspflichtigen dem „Krone“-Interview.
„Krone“: Wie viele Rekruten sind letztlich tauglich?
DDr. Sylvia Carolina Sperandio: 2016 waren von 49.100 wehrpflichtigen Männern 32.428 tauglich, 11.510 untauglich. 2021 traten 50.194 zur Musterung an, 35.899 wurden in den Dienst aufgenommen, 9926 mussten abgewiesen werden.
Nach welchen Kriterien werden die Jungmänner untersucht?
Die Auswahl ruht auf drei Säulen: medizinische, psychologische und militärische Eignung.
Die Quote der Untauglichen ist doch relativ hoch. Warum?
Die Situation entspricht dem Gesamtzustand der heimischen Jugendlichen. Wir beobachten, dass die jungen Menschen immer dicker werden, dass sie schlechter hören, häufiger als früher Sehstörungen und Haltungsschäden aufweisen.
Wer entscheidet, ob ein Rekrut angenommen wird bzw. für welchen Dienst er geeignet ist?
Der Truppenarzt. Er teilt in 10 Kategorien ein: 0 ist untauglich, 1 vorübergehend untauglich, 9 die beste Beurteilung. Wer Berufssoldat werden will, muss mindestens 5 erreichen.
Wo liegen die Hauptprobleme für den mäßigen Gesundheitszustand so vieler junger Burschen?
Eine erschreckend große Zahl kommt aus dem Alltag heraus schlecht vorbereitet zum Militär. Manche können nicht einmal einfache Tätigkeiten ausführen, die für eine militärische Verwendung erforderlich wären. Ich sehe wesentliche Gründe im Bewegungsmangel, in falscher Ernährung und in hohem Maß im technischen „Fortschritt“: Seh- und Hörprobleme entstehen vor allem durch Computer, iPods und laute Musik direkt ins Ohr.
Wie viele Rekruten scheitern an psychischen Tests?
Das lässt sich schwer auseinanderhalten. Für Untauglichkeit sind oft Mehrfachgründe ausschlaggebend. Von den Kandidaten mit Mehrfachminderungen haben rund 30% auch Diagnosen aus dem psychologischen Bereich.
Anders formuliert: Welche psychischen Abweichungen treten am häufigsten auf?
Belastungsstörungen. Betroffene können sich nicht eingliedern, sie schaffen es nicht, sich an eine neue Situation zu gewöhnen. Dann treten Ängste auf, auch leichte Depressionen.
Brigadier DDr. Sylvia Carolina Sperandio ist Ärztin für Allgemeinmedizin und Doktor für Psychotherapiewissenschaft. Sie rückte 1998 ein und wurde bald Kommandantin des Militärspitals in Hörsching (OÖ). Nach zahlreichen Sonderausbildungen (Luftfahrt-, Atomar Biologisch Chemische Abwehrmedizin, Tropenhygiene, Reise-, Alpin- und Expeditionsmedizin) ist sie seit 2017 für das militärische Gesundheitswesen zuständig. Ihr stärkstes Erlebnis im Auslandseinsatz: „Das Erdbeben in der Türkei mit 40.000 Toten. Ich durfte miterleben, wie am 5. Tag ein Geschwisterpaar lebend aus den Trümmern geholt wurde.“
Wie hat sich die Truppe in der Pandemie bisher gehalten?
Hervorragend! Alle Maßnahmen, um die Soldaten bestmöglich zu schützen und damit einsatztauglich zu halten, haben sich ausgezeichnet bewährt. So wurde Abstand gehalten: Stichwort „Babyelefant“, nicht zu viele Leute in einem Zimmer, im Speisesaal nur zwei Soldaten an einem Tisch. Bis wir FFP2-Masken bekommen haben, wurden anfangs eigene Masken in der Heeresschneiderei hergestellt.
Das Bundesheer hat ja in der Pandemie fleißig mitgeholfen!
Ja, es wurde in der heißesten Phase des Lockdowns 2020 erstmals nach dem Krieg mobilisiert, die Miliz einberufen. Zu den Aufgaben gehörten Mitarbeit beim Kontakt-Tracing sowie in Impf- und Teststraßen. In der Steiermark haben wir ein Pflegeheim gleichsam übernommen, weil das ganze Personal coronabedingt ausgefallen war. Weiters haben wir in Krankenanstalten ausgeholfen und in der Heeresapotheke selbst Desinfektionsmittel produziert.
Was geschieht beim Heer, um die Gesundheit der jungen Soldaten zu verbessern?
Eigentlich müssten Maßnahmen nicht erst beim Militär, sondern viel früher beginnen. Aber wir eröffnen die Chance, den Lebensstil in Zukunft zu ändern. Neben dem Bewegungsangebot gibt es zum Beispiel auch gesunde Ernährung wie etwa Müsli etc.
Welche Voraussetzungen müssten die Jungmänner für eine Änderung mitbringen?
Eine positivere Einstellung! „Das muss ich halt jetzt abdienen“ passt leider gar nicht.
Bezüglich Impfen ist das Heer eine Vorzeigeorganisation geworden.
Daran hat der bekannte Sozialmediziner Prof. Dr. Michael Kunze als wissenschaftlicher Beirat großen Anteil. Die Impfungen sind zwar freiwillig, aber gut organisiert. Auch Auffrischungen nach dem österreichischen Impfplan werden angeboten. Für das Kaderpersonal sind vor internationalen Einsätzen Impfungen (je nach Einsatzort auch Gelbfieber, Tollwut) verpflichtend. Wir haben international einen hohen Standard - aus gesundheitlichen Gründen wird nur selten jemand heimgeschickt.
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