Bleibt vorerst im Amt
Offiziell: Premier Johnson hat Rücktritt erklärt
Nun ist es offiziell: Boris Johnson hat Donnerstagmittag seinen Rücktritt als britischer Premier bekannt gegeben. Allerdings stellte er in seiner Rede an die Nation klar, dass er im Amt bleiben werde, bis ein Nachfolger gewählt ist. Zuvor waren Johnson Dutzende Abgeordnete und Minister davongelaufen. Mehr als 50 Rücktritte in den Reihen der Tories musste der durch einige Skandale in Ungnade gefallene Johnson hinnehmen. Am Mittwoch hatte er noch keinen Grund gesehen, zurückzutreten. Potenzielle Nachfolger hatten sich jedoch schon in Stellung gebracht.
Der scheidende Regierungschef erklärte zum wiederholten Male, dass es für ihn eine „Pflicht“ sei, weiter dafür zu kämpfen, was er seinen Millionen Wählern vor seinem Wahlsieg im Jahr 2019 versprochen habe. Johnson gebrauchte in seiner Rede übrigens kein einziges Mal den Ausdruck „Rücktritt“. Auch andere konkrete Angaben blieb der 58-Jährige seinen Zuhörern schuldig - allen voran: Wie geht es jetzt weiter? Die Kür eines Nachfolgers könnte sich dem Vernehmen nach bis in den Herbst hinziehen.
Erfolgsliste und Garantie für Ukraine
Johnson ließ es sich nicht nehmen, die „Erfolge“ seiner Regierung aufzuzählen: „Brexit vollzogen, Beziehungen zu den Kontinentaleuropäern geregelt, die Macht des Landes zur eigenen Gesetzgebung zurückerlangt und die Corona-Pandemie erfolgreich gemanagt.“ In Richtung Kiew versprach der Premier, die Ukrainer könnten sich auch in Zukunft auf London verlassen: „Wir werden sie auch weiterhin bei ihrem Kampf unterstützen.“ Die Rücktrittsrede wurde von Buhrufen im Hintergrund begleitet.
Der schwer unter Druck geratene Konservative hatte sich mit mehr Rücktritten innerhalb von 24 Stunden abfinden müssen als je ein britischer Premier in der Geschichte. Zuletzt trat Nordirland-Minister Brandon Lewis zurück und erklärte, er könne seine „persönliche Integrität nicht opfern, um die Dinge, wie sie jetzt stehen, zu verteidigen“. Kurz darauf folgten ihm Finanzministerin Helen Whately und Sicherheitsminister Damian Hinds. Letztgenannter betonte, dass es einen Führungswechsel brauche. Der Minister für Wissenschaft und Innovation, George Freeman, meinte, „genug ist genug“, und dass es nicht so weitergehen könne.
Johnson erklärte noch am Mittwoch: „Ich werde nicht gehen“
Schließlich warfen noch Gesundheitsminister Ed Argar, Digitalminister Chris Philp und Rentenminister Guy Opperman Donnerstag früh Handtuch. Am Mittwoch war Minister Michael Gove wegen Illoyalität aus seinem Amt entlassen worden. Allen Forderungen aus seinen eigenen Reihen, er möge zum Wohle seiner Partei zurücktreten, erteilte der angeschlagene Premier damals noch eine Absage. „Ich werde nicht gehen“, erklärte Johnson trotzig. Er wolle bis zum bitteren Ende für jene Millionen von Wählern kämpfen, die ihm 2019 seine überwältigende Mehrheit beschert hatten.
Debatte über Nachfolger
Über Johnsons möglichen Nachfolger wurde naturgemäß schon länger spekuliert. Nadhim Zahawi, der erst kürzlich vom Bildungsministerium ins Finanzministerium wechselte, wird als Kandidat gehandelt - dieser hat entsprechende Ambitionen jedoch bislang dementiert. Chefjustiziarin Suella Braverman forderte am Mittwochabend den Rücktritt des Premiers und bot sich selbst als Nachfolgerin an.
Opposition fordert Neuwahlen
Oppostionschef Keir Starmer freute sich über die „gute Nachricht“ von Johnsons angekündigtem Rücktritt. Er betonte jedoch, was das Land jetzt brauche, sei „kein Wechsel an der Spitze der Tories. Wir brauchen einen echten Regierungswechsel“, so der Vorsitzende der Labour Party.
Brexit als Hauptthema im Wahlkampf
Johnson war in den vergangenen Jahren in zahlreiche Skandale verwickelt, von illegalen Feiern in der Downing Street bis hin zu nicht ordnungsgemäß angegebenen Spenden, mit denen er die Renovierung seines Dienstsitzes finanzierte. Er hatte im Wahlkampf 2019 den Austritt aus der Europäischen Union zum Hauptthema gemacht. Unter dem Titel „Get Brexit Done, Unleash Britain‘s Potential“ („Setzt den Brexit um, entfesselt das britische Potenzial“) konnte Johnson bei der Parlamentswahl einen Triumph einfahren.
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