Nach Johnson-Rücktritt

Schlag für Wirtschaft und neuer Ruf nach Freiheit

Ausland
07.07.2022 17:26

Die Tage von Boris Johnson als Premierminister Großbritanniens sind gezählt: Als konservativer Parteichef musste er abtreten, spätestens im Herbst auch als Regierungschef. Die Suche nach einem Nachfolger könnte sich über Wochen hinziehen und die weltweit fünftgrößte Volkswirtschaft lähmen. Währenddessen bekräftigte die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon ihre Forderung nach Unabhängigkeit und scharren mögliche Nachfolger in den Startlöchern. 

Es sei zwar eine Erleichterung, dass Johnson gehe, aber wichtiger sei, dass Schottland eine Alternative zum „kaputten Westminster-System“ benötige - unabhängig davon, wer dem Premierminister nachfolge, sagte Sturgeon am Donnerstag der BBC. „Schottland würde niemanden dieser Leute als Premier wollen.“ Sturgeon hat für 2023 ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum angekündigt, allerdings ist noch unklar, ob eine Abstimmung rechtmäßig wäre. Johnson lehnte eine zweite Volksbefragung ab, nachdem 2014 eine Mehrheit der Schotten für die Union gestimmt hatte.

Am Brexit ändert Johnsons Rücktritt nichts
Was Johnsons Rücktritt für Europa und den Brexit bedeutet? Auch das hängt von der Nachfolge ab. In der heiklen Grenzfrage zwischen dem EU-Land Irland und Nordirland könnte es Entspannung geben, am Brexit selbst wird sich nichts ändern. „Selbst die Labour-Partei akzeptiert den Austritt. Damit würde auch eine erneute Volksabstimmung keinen Sinn ergeben“, sagt die britische Politologin Melanie Sully zur „Krone“.

Abgesehen davon erhöht der Rücktritt die Unsicherheit - was Gift für die britische Wirtschaft ist: Konjunkturabkühlung, hohe Inflation, ein riesiger Schuldenberg, um nur ein paar Schlagwörter zu nennen. Das Bruttoinlandsprodukt ging im April - laut Daten von Mitte Juni - um 0,3 Prozent zum Vormonat zurück. Sowohl Dienstleister als auch Industrie und Baubranche schrumpften.

Leben wird auch in Großbritannien immer teurer
Die Briten spüren den Druck der Inflation, das Leben wird immer teurer. Im Mai lag die Inflation bei 9,1 Prozent - ein 40-Jahres-Hoch. Die britische Notenbank rechnet im späteren Jahresverlauf mit Werten von über elf Prozent. Das Pfund notiert gegenüber dem Dollar auf dem niedrigsten Niveau seit fast zwei Jahren. Das heizt die Inflation zusätzlich an, weil Importe von in Dollar abgerechneten Gütern wie beispielsweise Öl dadurch teurer werden.

Über die weitere Entwicklung der Inflation entscheidet auch der künftige Kurs in der Finanzpolitik. Hier stehen wichtige Richtungsentscheidungen an - etwa über Steuersenkungen und zusätzliche Ausgaben, um beispielsweise Bürger von den hohen Energiekosten zu entlasten. Johnson hatte sich immer wieder für weitere Steuersenkungen eingesetzt. Der zurückgetretene Finanzminister Rishi Sunak stand aber auf der Bremse, wollte eher die Lasten aus den hohen Schulden eingrenzen.

Kleinere Zugeständnisse Richtung EU?
Haushaltsexperten halten es für möglich, dass sich der britische Schuldenberg innerhalb von 50 Jahren auf fast 320 Prozent der Wirtschaftsleistung mehr als verdreifachen könnte. Zum Vergleich: In der EU, zu der Großbritannien nicht mehr gehört, gilt eine Obergrenze von 60 Prozent, die allerdings vielfach auch gerissen wird. Nach dem Brexit will sich die Regierung in London in der Handelspolitik neu aufstellen. Ein Johnson-Nachfolger könnte die angespannten Beziehungen zur EU verbessern. Ökonomen rechnen aber höchstens mit kleineren Zugeständnissen.

Wer folgt Johnson nach?
Außenministerin Liz Truss, die als potenzielle Premierministerin gilt, hatte Johnsons scharfe Töne gegen die EU immer wieder verteidigt. Ebenfalls unter anderen als mögliche Nachfolger gelten der erst einen Tag vor dem Rücktritt ins Amt berufene Finanzminister Nadhim Zahawi, Handelsministerin Penny Mordaunt und Verteidigungsminister Ben Wallace, der in Umfragen führt. Offiziell hat bisher nur Generalstaatsanwältin Suella Braverman ihre Kandidatur angekündigt

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