Lange galt der Internetkonzern Yandex als „coolste Firma Russlands“. Noch vor einigen Monaten setzte der Google-Rivale dazu an, den Weltmarkt zu erobern - etwa mit Taxi-Apps und Essens-Lieferdiensten. Gut vier Monate, nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin die Invasion der Ukraine befohlen hat, steht man nun vor einem Trümmerhaufen.
Das berichtet die „New York Times“ in einer ausführlichen Reportage über den russischen IT-Riesen, in der dessen Entwicklung vom kleinen Start-up zum wichtigsten russischen IT-Konzern skizziert wird. Als russischer Google-Rivale lanciert, der schnell den heimischen Suchmaschinenmarkt beherrschte, arbeitete Yandex in den letzten Jahren an der Eroberung des Weltmarktes.
Taxi- und Lieferdienst-Apps im Ausland
Yandex expandierte über Russlands Grenzen hinaus: Mit der Taxi-App des russischen Internetriesen konnte man auch in Norwegen, Usbekistan oder der Elfenbeinküste ein Taxi herbeirufen. In Städten wie London, Paris und Tel Aviv drängte Yandex in den umkämpften Markt für Essenslieferungen. An der Ohio State University in den USA erprobte Yandex sogar autonome Roboter, die Studenten mit Nahrung belieferten. Nach der Testphase wollte man das Angebot auf bis zu 250 Unis in den Vereinigten Staaten ausweiten.
Handel mit Yandex-Aktien ausgesetzt
Daraus wird allerdings nichts: Das „coolste Unternehmen Russlands“ hat nach Putins Überfall auf das Nachbarland Federn lassen müssen. Der Börsenwert des an der US-Technologiebörse NASDAQ gelisteten russischen IT-Riesen stürzte von 31 Milliarden US-Dollar auf sieben. Der Handel mit der Yandex-Aktie wird mittlerweile ausgesetzt. Yandex-Aktivitäten im Ausland, etwa das Zustellgeschäft in London, Paris und Ohio, mussten beendet werden.
Jeder sechste Mitarbeiter ist geflüchtet
Hinzu kommen interne Probleme - etwa Personalknappheit. Laut dem Bericht dürfte ein Sechstel der früher 18.000 Personen starken Belegschaft aus Russland geflohen sein. Insgesamt haben seit Kriegsbeginn mehrere Zehntausend Programmierer und IT-Experten Russland verlassen. Der Kreml will IT-Fachkräfte daher nun sogar im Gefängnis rekrutieren. Hinzu kommen EU-Sanktionen gegen die Yandex-Gründer, die sich mittlerweile aus dem Management zurückgezogen haben.
Auch andere Firmen um Jahre zurückgeworfen
Yandex steht beispielhaft für eine Vielzahl aufstrebender russischer Unternehmen, die durch Putins Krieg im Nachbarland und die damit einhergehenden Wirtschaftssanktionen in ihrer Entwicklung um Jahre zurückgeworfen wurden. Russische Firmen dürften auch nach einem möglichen Kriegsende Schwierigkeiten haben, ausländische Investoren zu finden. Der Vertrauensverlust, der beispielsweise auch dem russischen IT-Security-Anbieter Kaspersky zu schaffen macht, ist groß.
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