Georgiens Premier:

„Wollen Mitglied der europäischen Familie werden“

Ausland
08.07.2022 15:52

Selbst wenn Georgien im Gegensatz zur Ukraine und Moldau noch nicht als Beitrittskandidat akzeptiert wurde, lebt die Hoffnung auf eine EU-Mitgliedschaft für Ministerpräsident Irakli Garibaschwili weiter. „Unser Ziel ist es, Mitglied dieser europäischen Familie zu werden“, sagte er am Freitag nach einem Treffen mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Wien. Dieser sagte Unterstützung zu, betonte aber auch, dass für Österreich eine EU-Integration des Westbalkan wichtig sei.

Dass die EU-Staats- und Regierungschefs von Georgien noch weitere Reformen forderten, bis ein Kandidatenstatus möglich sei, interpretiert der ÖVP-Regierungschef auch als eine „Perspektive“ für die Regierungsverantwortlichen in Tiflis. „Probleme dürften nicht verleugnet werden, sondern müssten gelöst werden, meinte Nehammer. „Aus der Lösung entsteht der Fortschritt.“

Für den EU-Beitrittsprozess brauche es eben Regeln, doch werde Österreich Georgien beistehen. Etwa wenn es darum gehe Rechtssicherheit bei Investitionen oder Stabilität und Sicherheit zu schaffen. Geplant sei etwa eine verstärkte Kooperation im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität.

Russland hält Gebiete besetzt
Georgien sei dazu ein wichtiger, geostrategischer Partner in einer sicherheitspolitisch herausfordernden Lage, sagte Nehammer und erwähnte, dass „20 Prozent des Landes von russischen Truppen besetzt“ seien. Doch habe Georgien gerade deshalb das Potenzial, in einem sicherheitspolitischen Dialog ein „Mittler“ zu sein. Russland hält seit einem Kurzkrieg im Jahr 2008 die georgischen Hoheitsgebiete Abchasien und Südossetien besetzt.

Bundeskanzler Karl Nehammer erklärte, dass Österreich Georgien beistehen wolle. (Bild: APA/BKA/FLORIAN SCHR…TTER)
Bundeskanzler Karl Nehammer erklärte, dass Österreich Georgien beistehen wolle.

Georgien eine “beispielhafte Demokratie„
Garibaschwili erklärte, dass Georgien bereit sei, die „zwölf Punkte“, die dem Land von der EU zur Erreichung des Kandidatenstatus aufgetragen seien, abzuarbeiten. Und zwar gemeinsam mit der Opposition und der Zivilgesellschaft, um die EU-Annäherung auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Sein Land habe bereits einen langen Weg zurückgelegt. „Wir haben das Erbe eines autoritären Landes übernommen“, sagte der Regierungschef, der sein Land als „beispielhafte Demokratie“ präsentierte.

„Es sind die Menschenrechte garantiert. Auch die Medienfreiheit. In Georgien kann man in zehn Tagen einen neuen Fernsehsender aufbauen, ohne dass es große Hürden gibt.“ Diese Errungenschaften müssten auch gewürdigt werden.

Sorge wegen Konflikt in der Ukraine
Bezüglich der Lage in der vom russischen Angriffskrieg heimgesuchten Ukraine zeigte sich Garibaschwili besorgt. „Wir haben das 2008 erlebt. Aber es gibt keine Alternative zum Frieden. Wir müssen den Krieg beenden.“ Angesichts des Ukraine-Krieges und der beschleunigten Annäherung der Ukraine an die EU hatte auch die georgische Regierung im März einen Beitrittsantrag in Brüssel eingereicht.

Während die Ukraine und auch Moldau Ende Juni zu Beitrittskandidaten erhoben wurden, muss sich Georgien gedulden. Die EU-Staats- und Regierungschefs sahen auf ihrem Gipfel davon ab, auch Georgien den Status eines Beitrittskandidaten zuzuerkennen. Erst müsse Georgien noch weitere Reform-Voraussetzungen erfüllen, hieß es.

Seit dem Gipfel kommt es zu pro-europäischen Demonstrationen in Georgien, die zugleich auch gegen die Regierung gerichtet sind. Aktivisten werfen ihr vor, zu wenig für die EU-Integration zu tun.

Georgien muss Hausaufgaben erfüllen
Außenminister Alexander Schallenberg erklärte am Freitag: „Wir unterstützen den Wunsch nach einer EU-Perspektive Georgiens. Vor allem im Lichte des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist es in unserem strategischen Interesse, dass Georgien fest in der europäischen Familie verankert ist.“

Klar sei aber auch, „dass die georgische Regierung ihre Hausaufgaben erfüllen muss“, wurde Schallenberg in einer Aussendung des Außenministeriums zitiert. „Die ersten Reformschritte sind ein positives Signal, aber der Weg ist noch lange und erfordert von allen relevanten Akteuren einen nationalen Schulterschluss.“

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