Wettrüsten im Orbit

Militärs auf der Jagd nach dem Satelliten-Killer

Elektronik
11.07.2022 11:51

Navigation, Wetterbeobachtung, Kommunikation oder Spionage: Rund 4600 aktive Satelliten umkreisen die Erde und versorgen deren Bewohner mit Diensten. In einigen Jahren könnten es - etwa durch Netzwerke wie Starlink - Hunderttausende sein. Doch die Helfer im Orbit sind in Gefahr: Angesichts der frostigen Beziehungen zwischen Ost und West arbeiten Großmächte an Satelliten-Killern, die gegnerische Raumfahrzeuge zerstören sollen. Würden diese unbedacht eingesetzt, könnte die Raumfahrt zum Erliegen kommen.

Die Erdumlaufbahn wird von Großmächten zunehmend als potenzielles Schlachtfeld betrachtet, berichtet das Computermagazin „c’t“. Das zeige sich an milliardenschweren Aufrüstprogrammen: So stecken die USA, wo es seit 2019 mit der „Space Force“ eine eigene Streitmacht für militärische Aktivitäten im Weltraum gibt, zuletzt 24,5 Milliarden US-Dollar in diesen Bereich - ein Plus von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

In Russland und China dürften ebenfalls Milliarden in den Bereich Weltraumkriegsführung fließen. Erst kürzlich erregte eine Studie aus dem Umfeld der chinesischen Volksbefreiungsarmee Aufsehen, in der Ansätze zur Zerstörung des Kommunikationsnetzwerks Starlink diskutiert wurden.

Ballistische Raketen und Killer-Satelliten
Bei den erforschten Waffensystemen gibt es zwei Ansätze: ballistische Raketen, die in den Orbit geschossen werden, um Satelliten in niedrigen Erdumlaufbahnen zu zerstören, sowie sogenannte „Satellitenkämpfer“ - Killer-Satelliten, die andere Satelliten durch Kollisions- oder Sprengstoffangriffe zerstören. Beide Ideen sind nicht neu und wurden von den USA und der Sowjetunion bereits zu Beginn des Raumfahrtzeitalters erforscht.

So sprengten die USA erstmals 1963 einen Satelliten in einer erdnahen Umlaufbahn. Die verwendete Nike-Zeus-Rakete hätte auch mit einem atomaren Sprengkopf bestückt werden können, um Satelliten zusätzlich mit einem elektromagnetischen Puls (EMP) unbrauchbar zu machen.

In der Sowjetunion wurde Ende der Fünfziger das Projekt „Istrebitel Sputnikov“ gestartet - ein Killer-Satellit, der sich im Orbit mit einem eigenen Antrieb feindlichen Satelliten annähern und diese mit einem Sprengsatz zerstören sollte. Auch an Gegenmaßnahmen wurde geforscht. Russische Killer-Satelliten sollen, wenn sie selbst angegriffen werden, Stickstoffgas ausstoßen und sich in der entstehenden Wolke verbergen können.

Raketen erreichen nicht jeden Satelliten
Solche Killer-Satelliten werden vor allem für Angriffe in höheren Orbits entwickelt: Während etwa Kommunikationssatelliten in einer niedrigen Umlaufbahn in einigen Hundert Kilometern Höhe problemlos mit Raketen abgeschossen werden könnten, sind beispielsweise die in 20.000 Kilometern Höhe stationierten GPS-Satelliten für ballistische Raketen schwer erreichbar.

Die GPS-Satelliten in 20.000 Kilometern Höhe sind für Raketen schwer zu erreichen. (Bild: stock.adobe.com)
Die GPS-Satelliten in 20.000 Kilometern Höhe sind für Raketen schwer zu erreichen.

Der Abschuss einer Rakete von einem Kampfflugzeug oder gleich aus dem Orbit könnte deren Reichweite freilich beträchtlich steigern. Bei der US-amerikanischen Space Force denkt man gar über eine Militärbasis auf dem Mond nach, von der aus Anti-Satelliten-Waffen starten könnten.

Weltraumschrott bedroht die Raumfahrt
Das große Problem dieses Wettrüstens im All: Waffentests oder gar ein Krieg im Weltraum sorgen für eine Flut von Weltraumschrott. So testete etwa Russland im vergangenen Jahr seine Anti-Satelliten-Rakete Nudol an einem ausgedienten Sowjet-Satelliten. Das Raumfahrzeug wurde in rund 1500 Einzelteile gesprengt, die nun als gefährliche Wolke Weltraumschrott mit Tausenden Kilometern pro Stunde um die Erde kreisen.

Die ISS musste nach einem russischen Raketentest 2021 ein Ausweichmanöver einleiten, um nicht in die Wolke aus Weltraumschrott zu geraten. (Bild: NASA)
Die ISS musste nach einem russischen Raketentest 2021 ein Ausweichmanöver einleiten, um nicht in die Wolke aus Weltraumschrott zu geraten.

Aufgrund des Waffentests musste die Internationale Raumstation (ISS) - siehe Video oben - Ausweichmanöver einleiten, um nicht in die Trümmerwolke zu geraten. Bereits einige Jahre zuvor testete das chinesische Militär eine Anti-Satelliten-Waffe an einem ausgedienten Wettersatelliten - auch hier entstand eine Trümmerwolke.

8500 Tonnen Weltraumschrott - Tendenz steigend
Würden die Waffentests intensiviert, könnte das Weltraumschrott-Problem derarti große Ausmaße annehmen, dass sichere Raketenstarts und die Raumfahrt unmöglich werden. Schon heute kreisen rund 8500 Tonnen Weltraumschrott um die Erde, unter anderem auch von Waffentests.

Gleichzeitig wird erwartet, dass die Zahl der die Erde umkreisenden Satelliten in den kommenden Jahren auf mehr als 100.000 steigen könnte. Allein bei Starlink, dem Satelliteninternet-Provider des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX, hat man in den letzten Jahren mehr als 2400 Internetsatelliten in die Umlaufbahn geschossen. Im Endausbau soll das Netzwerk aus mehreren Zehntausend bestehen.

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