Sicherheit gefährdet

Hilferuf aus Justizanstalt: „Kontrolle verloren“

Tirol
12.07.2022 06:00

Justizwachebeamte des Gefängnisses Graz-Jakomini zeigen in einem Schreiben Missstände auf. Derartige Zustände sollen sich auch in anderen heimischen Haftanstalten - wie etwa in Asten, Stein oder Innsbruck - abspielen.

Es ist ein Hilferuf, den es in dieser Deutlichkeit noch nicht gegeben hat. Ein Hilferuf, der erschreckend ist. Justizwachebeamte – keine (!) Personalvertreter, sondern Kommandanten und Stellvertreter - der Justizanstalt Graz-Jakomini betonen in einem Schreiben an die Anstaltsleitung, das der „Krone“ vorliegt: „Wir haben die Kontrolle verloren!“

Konkret heißt es darin, „dass Inhaftierte unseren gesetzlich vorgegebenen Anordnungen sanktionslos nicht Folge leisten, dass die Anzahl der psychisch auffälligen Insassen zunimmt und dass wir immer öfter Beleidigungen bzw. Beschimpfungen ausgesetzt sind“.

Weiters steht in dem Schreiben, dass „Sicherheitsbedenken nicht von allen Vorgesetzten ernst genommen werden, dass nicht regelkonformes Verhalten von Insassen viel zu spät bzw. zu wenig sanktioniert wird und dass man sich für viele dienstlich korrekte Tätigkeiten immer öfter vor den Insassen rechtfertigen muss.“ Die Kombination aus diesen Punkten gefährde massiv die Sicherheit in der Justizanstalt „und somit uns alle“.

Justizwachebeamte schlagen Alarm. (Bild: Patrick Huber)
Justizwachebeamte schlagen Alarm.

Beamte legen plakative Beispiele auf den Tisch
Die Kommandanten und Stellvertreter fügen mehrere Beispiele an: In einer Abteilung/einem Haftraum bestehe der Verdacht von unerlaubten Gegenständen. Es gebe zum notwendigen Zeitpunkt nicht genügend Personal für eine Durchsuchung, diese werde somit auf unbestimmte Zeit verschoben. Beim Ausrücken zum Aufenthalt im Freien werden von den Häftlingen Tabletten quasi vor den Augen der Beamten getauscht bzw. verteilt - wohl wissend, dass es wenige bis gar keine Konsequenzen gebe.

Ein Bediensteter werde von einem Insassen schwer verletzt. Es dauere mehrere Tage, bis dieser Mann in eine andere Anstalt überstellt werde. Ein Inhaftierter schreie abends ständig beim Fenster hinaus, sodass sich bereits die Anrainer beschweren. Außer einer Abmahnung gebe es keine Konsequenzen. Ein Insasse beschmiere die Wände und werde aufgefordert, die Kritzelei zu beseitigen. Doch er weigere sich. Die Arbeiten werden von den Hausarbeitern/der Malerei durchgeführt, da der Mann kein Geld habe, um den Schaden zu bezahlen. Diese Liste ließe sich beliebig verlängern.

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Die Justizwache hätte schon damals mehr Rückhalt gebraucht, um den Beruf für junge Menschen interessant, ausführbar und vor allem sicher zu machen. Doch passiert ist genau das Gegenteil.

Martin Johann Schöpf, Mitglied des Zentralausschusses Justizwache

„Ich habe schon damals eindringlich davor gewarnt
Martin Johann Schöpf, Mitglied des Zentralausschusses Justizwache (#wirsindexekutive), zeigt sich wenig verwundert: „Bereits 2019 habe ich unter dem damaligen Justizminister Josef Moser eindringlich vor weiteren liberalen Maßnahmen im neuen Vollzugshandbuch gewarnt. Die Bestrebungen übertrafen sogar das geltende Strafvollzugsgesetz und erschweren noch weiter massiv die Arbeit der Justizwache. Nach einigen Monaten des Zuwartens hat der spätere Übergangsminister Clemens Jabloner dieses links-liberale Manifest erlassen, sonst aber in seiner Amtszeit keine anderen weitreichenden Entscheidungen getroffen. Bedauerlicherweise wurde ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker von den maßgeblichen FCG-Funktionären in der Justizwache offenbar erfolgreich zur Zurückhaltung angehalten. Sonst ist es nicht erklärbar, dass die Volkspartei als Kanzlerpartei diesen Bestrebungen tatenlos zugesehen hat.“

„Rechte der Inhaftierten werden immer mehr“
Die Justizwache „hätte schon damals mehr Rückhalt gebraucht, um den Beruf für junge Menschen interessant, ausführbar und sicher zu machen“, so Schöpf. Passiert sei das Gegenteil: „Die Rechte der Inhaftierten werden immer mehr. Der Hilferuf aus der Steiermark muss dringend eine notwendige rechtsstaatliche Konsequenz nach sich ziehen.“

Auch in der Justizvollzugsanstalt Asten in Oberösterreich soll es grobe Missstände geben. (Bild: Alexander Schwarzl)
Auch in der Justizvollzugsanstalt Asten in Oberösterreich soll es grobe Missstände geben.

Übrigens: Derartige Zustände sollen sich auch in anderen heimischen Justizanstalten wie etwa in Asten, Stein oder Innsbruck abspielen. Und in Graz-Jakomini wurden bereits mehrfach Missstände aufgezeigt - doch bisher ohne Erfolg.

„Brief wird aktuell intern geprüft“
Dem Justizministerium ist der besagte Brief bekannt. „Dieser wird aktuell intern geprüft. Die nächsten Schritte werden darin bestehen, gemeinsam mit dem Anstaltsleiter und der Personalvertretung Maßnahmen zu treffen, die eine Hebung der Mitarbeiterzufriedenheit zum Ziel haben“, so Sprecherin Sina Bründler.

Fakten

Die FPÖ hat auf Basis des Briefes der Justizwachebeamten am 8. Juli 2022 eine schriftliche Anfrage an die zuständige Justizministerin Alma Zadić eingebracht - und zwar mit insgesamt 21 konkreten Fragen. Die Frist für die Beantwortung läuft am 8. September 2022 aus.

Die „pauschale Aussage“, generell würden in den Haftanstalten Missstände bestehen, die die Sicherheit und Ordnung gefährden und diedurch die Umsetzung des Vollzugshandbuches, das eine Handlungsanweisung für Strafvollzugsbedienstete darstelle, noch gefördert werden, „ist strikt zurückzuweisen“, sagt die Sprecherin. Das Vollzugshandbuch erläutere und lege organisatorische sowie rechtliche Rahmenbedingungen fest, wobei jedoch eigeninitiatives und selbstverantwortliches Handeln der Strafvollzugsbediensteten dadurch nicht ersetzt werden könne.

„Die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in den Justizanstalten ist eine Kernaufgabe der Justizwache. Es werden regelmäßig gründliche Haftraumkontrollen, Betriebs- oder Raumdurchsuchungen sowie Kontrollen von Personen und auch deren Durchsuchung vorgenommen. Es finden auch anlassbezogen und stichprobenartig Schwerpunktaktionen statt“, zählt Bründler auf, die betont: „Der österreichische Strafvollzug ist ein moderner Betreuungsvollzug, der die Menschenrechte und die Resozialisierung der Inhaftierten ins Zentrum stellt.“

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