Bergkrone-Blog

Warum Österreich bei Gleitschirm-Produktion führt

Bergkrone
14.07.2022 06:00

Wenn es die Zeit nur irgendwie zulässt, dann heben Christoph, Petra, Stefan, Julian, Felix, Harald und ich ab, um auf die 40 Höhenflüge zu kommen, welche wir für die Ausstellung einer Paragleiter-Fluglizenz benötigen. Die Theorie-Prüfung haben wir ja bereits absolviert und wir sind inzwischen dabei, uns eine Ausrüstung zu kaufen. Unseren ersten eigenen Gleitschirm. Die Beratung in den Flugschulen ist für Anfänger perfekt und auch uns stehen unsere Fluglehrerinnen Maggie Grabner und Anna Schneider helfend zur Seite. Was uns sofort auffällt, dass es viele österreichische Hersteller gibt, die Gleitschirme und Gurtzeuge entwickeln und dass diese hauptsächlich in den Tiroler Bergen zu finden sind.

Die Firmen AirGAirdesignNova oder Phi und deren erstklassige Produkte kennt vermutlich jeder Gleitschirmflieger der Welt. Als Weltmarktführer bei Paragleitern gilt das Schweizer Unternehmen Advance, an dessen Firmenerfolg jedoch auch einige Österreicher mitverantwortlich waren und sind, wie auch beim deutschen Hersteller Skywalk und so manchen anderen Unternehmen. Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Gleitschirm-Konstrukteure und Hersteller ist der innovative Tiroler Hannes Papesh mit seiner Marke Phi. „Das Paragleiten ist prinzipiell in der französischen Schweiz und in Frankreich rund um den Mont Blanc entstanden. 1986 war ich Anfang 20 und habe mit dem Fliegen und relativ schnell auch mit dem Konstruieren von Gleitschirmen begonnen“, so der Tiroler im Gespräch mit der „Bergkrone“. Bereits 1988 baute der Techniker den Comet CX, damals der beste Paragleiter überhaupt, der die Gleitschirm-Szene bisher am meisten beeinflusst hat. Die Segel der Prototypen wurden damals noch mit der Nähmaschine von Hannes Mutter miteinander verbunden. 1989 gründete der begeisterte Flieger die Firma Nova in Terfens im Tiroler Inntal, für die er insgesamt 25 Jahre lang gearbeitet hat.

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In den Westalpen hatte man zwar früher mit dem Gleitschirmfliegen begonnen, aber wir in den Ostalpen waren technisch viel innovativer und wir haben die besseren Schirme gebaut

Hannes Papesh

„Seit damals ist Tirol neben Frankreich, England und Korea das weltweite Zentrum der Gleitschirm-Technologie. Egal ob in Kalifornien, Brasilien oder Japan, überall auf der Welt wird man unsere Produkte finden. Wer etwa auf dem Flughafen Paris in Frankreich ein Magazin über Paragleiten durchblättert, der wird darin Anzeigen von Airdesign und uns finden - von zwei Unternehmen aus der Tiroler Gemeinde Absams“, so der Unternehmer zur „Bergkrone“.

Doch warum sind österreichische Gleitschirmhersteller so gut? „Das hängt viel mit unserer Philosophie zusammen“, sagt Hannes: „Entwickelt werden die Gleitschirme inzwischen ausschließlich mit dem Computer, die danach vorwiegend in Asien produziert werden. Dann braucht es noch gute Flieger, die als Testpiloten die Schirme ausprobieren und bewerten. Wir testen unsere Produkte vorwiegend über dem Wasser des Achensees, deshalb können wir diese härter und auch kritischer fliegen und danach optimieren, weshalb sie in der Praxis dann viel besser sind.“

Ein Gleitschirm-Testpilot ist der Kärntner Norbert Winkler, der aktuell für den Hersteller AirG fliegt, der - wie soll es anders sein - seinen Sitz ebenfalls in Tirol hat und zwar in der Landeshauptstadt Innsbruck. „Als Testpilot muss man nicht nur sehr erfahren sein, sich mit Aerodynamik gut auskennen und über blitzschnelle Reaktionen verfügen“, erklärt Norbert, der außerdem ein erfolgreicher und hervorragender Gleitschirm-Kunstflieger ist. Lebt man als Testpilot gefährlich? „Natürlich, denn wir fliegen Prototypen, aber durch unseren Einsatz wird das Paragleiten immer sicherer.“

Auf was kommt es bei einem Gleitschirm denn an? „Natürlich auf die Leistung und die war früher sehr viel schlechter als heute!“, so der Konstrukteur Papesh: „Vor 35 Jahren bin ich zum ersten Mal vom 2218 Meter hohen Monte Baldo, einem beliebten Startplatz oberhalb des italienischen Gardasees abgehoben. Damals hatte mein Schirm eine Gleitzahl von 1:3. Dass heißt, dass ich bei einem Verlust von 100 Meter Höhe, 300 Meter weit geflogen bin. Damit bin ich nicht einmal über den See gekommen. Heute haben Paragleiter ein Verhältnis von 1:12. Früher sind wir bei Föhn von der Nordkette gestartet und haben gehofft, irgendwie höher zu steigen. Heute braucht man fast keinen Wind, um abzuheben. Gleitschirme zählen für mich deshalb zu den besten Fluggeräten, wenn es darum geht, Höhe zu gewinnen.“

Seit 2017 leitet Hannes das Unternehmen Phi, das explosionsartig gewachsen ist. Denn Paragleiten ist aktuell wieder hoch im Trend. „Wenn es wirtschaftlich schlecht geht, dann gibt es immer einen Outdoor-Boom“, so der Gleitschirm-Entwickler: „Als ich zu fliegen begann, dachte man, dass sich Paragleiten ähnlich wie Snowboarden zu einem Breitensport entwickeln wird. Dazu ist es aber nicht gekommen, aber die Sicherheit hat inzwischen ein sehr hohes Niveau erreicht. Trotzdem fliegt man und hängt in ein paar hundert Metern Höhe unterm Schirm. Man braucht beim Gleitschirmfliegen Respekt vor dem Wetter. Ich vergleiche es gerne mit Skitourengehen, denn man kann auch nicht in jeden Hang hineinfahren. Und die Luft hat genauso ihre Tücken, wie auch der Schnee."

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