Nach einer operativen Pause, um ihre Streitkräfte umzugruppieren, hat Russland seine Angriffe im Osten der Ukraine offenbar fortgesetzt. In den vergangenen 24 Stunden seien russische Sturmversuche in Richtung Bachmut und vor Donezk abgewehrt worden, so der Generalstab in Kiew. „Nach einer Umgruppierung hat der Feind den Angriff auf das Wärmekraftwerk Wuhlehirsk wieder aufgenommen, die Kampfhandlungen halten an.“
Auch die Militärexperten des Institute for the Study of the War (ISW) haben beobachtet, dass die russischen Truppen die Verschnaufpause beenden, die sie nach der Einnahme des Ballungsraums Sjewjerodonezk/Lyssytschansk eingelegt haben. Derzeit handle es sich noch um kleinere Gefechte. „Wenn die operative Pause tatsächlich zu Ende ist, werden die Russen wahrscheinlich in den nächsten 72 Stunden ihre Angriffe fortsetzen und verstärken“, heißt es in der Analyse des ISW.
Luftalarm im ganzen Land
Am Freitagabend war im ganzen Land Luftalarm ausgelöst worden. Im südöstlichen Gebiet Dnipro starben Behördenangaben zufolge mindestens drei Menschen, 15 wurden verletzt. In sozialen Netzwerken kursierten Videos und Fotos, die fliegende Raketen und Rauchwolken etwa in der südöstlichen Großstadt Dnipro zeigen sollen. Der Gouverneur des zentralukrainischen Gebiets Poltawa, Dmytro Lunin, bestätigte Explosionen in Krementschuk. Eine weitere Rakete wurde laut dem Militärgouverneur von Odessa, Maxym Martschenko, über dem südukrainischen Gebiet abgeschossen. Details zu möglichen Opfern und Zerstörungen waren noch nicht bekannt.
Selenskyj: „Russland wird für Generationen verkrüppelt bleiben“
Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die Bürger zur Wachsamkeit auf. Zugleich warnte er Moskau, dass der bereits seit fast fünf Monaten andauernde Krieg auch in Russland nicht folgenlos bleiben werde. Selenskyj sieht auch die russische Gesellschaft angesichts des Kriegs gegen sein Land für Jahrzehnte geschädigt. Die Ukraine werde sich „Menschlichkeit und Zivilisation“ bewahren, sagte er in der Nacht auf Samstag in seiner Video-Ansprache. Zerstörte Bildungseinrichtungen würden wieder aufgebaut, versprach er. „Aber die russische Gesellschaft mit so vielen Mördern und Henkern wird für Generationen verkrüppelt bleiben - und zwar aus eigener Schuld.“ Angesichts neuer Angriffe auf mehrere Regionen am Abend appellierte Selenskyj einmal mehr an seine Landsleute, Luftalarm nicht zu ignorieren.
Die Ukraine hat nach eigenen Angaben ein neues Raketenwerfersystem aus dem Westen erhalten. „Keine Gnade für den Feind“, schrieb Verteidigungsminister Olexij Resnikow auf Twitter. Die M270-Systeme würden den US-amerikanischen HIMARS „auf dem Schlachtfeld gute Gesellschaft“ leisten. Ob nur eines oder mehrere der M270-Systeme geliefert wurden, ging aus dem Tweet nicht eindeutig hervor. Großbritannien hatte der Ukraine zuletzt solche Waffen zugesagt. Die M270-Systeme auf Kettenfahrgestell können im Unterschied zu den auf Lastwagen montierten HIMARS zwölf statt sechs Raketen laden.
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