Langsam sickert in Österreich durch, was uns im Herbst und Winter bevorsteht. Es drohen noch mehr explodierende Preise, sodass das Alltagsleben kaum leistbar bleibt. Genauso übel sind Entbehrungen bis hin zum Frieren in den Wohnungen infolge des Energiemangels. Hinzu kann eine neue Pandemiewelle kommen.
1. Politisch würde dadurch die Polarisierung unserer Gesellschaft weiter steigen, wenn große Bevölkerungsgruppen betroffen sind. Forschungsdaten zeigen, dass aus Sorge- und Angstgefühlen der Bürger zunehmend Ärger und Wut werden. Anders ausgedrückt: Bisher war Wutbürger ein Medienwort für ein paar Protestierer, die besonders laut und manchmal wirr sowie stets eine kleine Minderheit waren. Nun nicht mehr.
2. Es stehen vielleicht Entwicklungen bevor, gegen die unselige Coronaaufmärsche ein vergleichsweise laues Lüftchen waren. Auch, weil gemeingefährliche Radikalinskis die Stimmungslage von ehrlich besorgten Kritikern ausnützen und missbrauchen werden. Ihnen geht es in Demonstrationen - einem zentralen Grundrecht - null um die Lösung von Sachproblemen, sondern sie wollen ausschließlich hetzen und das Land destabilisieren.
3. Reden unsere Politiker wenigstens mit uns darüber? Nein. Oder jedenfalls viel zu wenig. Das Ursprungsproblem der Krisenkommunikation in Österreich hat ausnahmsweise kein aktueller Parteimensch zu verantworten, sondern es beruht auf einem uralten Slogan sämtlicher Regierungen und Kammern zur Zukunft des Landes: „Wir machen dieses und jenes, damit es uns allen immer besser geht!“ Ja eh.
4. Doch ist der quer durch Parteien jedweder Farbe altbekannte Spruch schon lange nicht mehr zeitgemäß. In schlechten Zeiten voller Einschränkungen für die Bevölkerung fällt er uns auf den Kopf. Weil so ein Satz als ohne Bezug zur Wirklichkeit erscheint. Es wird in der Krisenzeit kurz- und mittelfristig den meisten von uns sehr viel schlechter gehen. Was sich aber angesichts von vier 2022/23 bevorstehenden Landtagswahlen fast kein Politiker zu sagen traut.
5. Das Bemühen um einen immer besser werdenden Lebensstandard für wirklich alle war von den Anfängen der Zweiten Republik bis in die Siebzigerjahre ein logisches Versprechen. Es war auch kinderleicht zu halten. Im Vergleich zu den Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit nämlich. Ab einem gewissen Wohlstandsniveau kann es jedoch nicht ständig weiter bergauf gehen.
6. Unabhängig von der Pandemie und dem Krieg in Europa mit den Folgen einer Rieseninflation, Mangelwirtschaft und Energiekrise haben es unsere Politiker vor Jahrzehnten verabsäumt, sich von „Alles wird besser!“-Versprechungen zu verabschieden. Warum sie das nicht taten? Daran sind wir alle ein bisschen mitschuldig, weil die Wahlmotivforschung nachweist, dass man eher für irgendwelche Zukunftsversprechen gewählt wird als für unangenehme Wahrheiten.
7. Was also tun? Der Autor Max Frisch soll von der Krise als Chance gesprochen haben, man müsse ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen. Ob das Zitat so stimmt oder Frisch nur zugeschrieben wurde, das ist egal. Es handelt sich so oder so um eine nicht sehr kluge Halbwahrheit. Weil lediglich jene ihre Chance nutzen und den katastrophalen Beigeschmack bekämpfen können, welche mehr als genug Geld haben.
8. Hat jemand massenhaft Kapital, dann kann er trotz explodierender Energiepreise und hoher Geldentwertung seine Rechnungen bezahlen. Verfügt ein Unternehmen über hohe Ersparnisse und Rücklagen, kann es Verdiensteinbrüche und Inflation überbrücken. Oder sogar über sinnvolle Investitionen und Umstrukturierungen anstatt über bloßes Geldsparen nachdenken. Bis hin zum Kriegsgewinnlertum.
9. Auf der privaten Ebene ist es ausgerechnet reichen Leuten problemlos möglich, die in Österreich üble Winterzeit notfalls einfach dort im Ausland zu verbringen, wo es weniger kalt und teuer ist. Was die soziale Kluft und Empörung natürlich verstärken wird. Das einstige „Koste es, was es wolle!“ aus den Anfängen der Coronapandemie, um allen zu helfen und damit den Zusammenhalt der Gesellschaft zu garantieren, ist zur Leerformel geworden.
10. Jeder fragt sich bloß: „Was kostet es mich?“ – und denkt sich unausgesprochen: „Hoffentlich kriege ich es hin, dass es mich weniger kostet als die anderen!“ Das Lobbying des Nationalratsabgeordneten, Wirtschaftskämmerers und Seilbahnbesitzers Franz Hörls ist das beste Beispiel dafür. Ihm zufolge müssen die Seilbahnen um jeden Preis fahren, was auch immer sonst in der Krise zugesperrt wird, wenn wir zu wenig Energie haben und nicht mehr heizen können.
11. Fairerweise muss man dazusagen, dass es keine perfekten Lösungen gibt. Oder gar keine Lösung. Von niemandem. Dann geht es allein um Schadensbegrenzung durch halbwegs gutes Krisenmanagement und Krisenkommunikation. Ob Regierung und Ministerien da die Coronalektion gelernt, eine Fehleranalyse durchgeführt und ihre Hausaufgaben zur Vorbereitung gemacht haben?
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