Und Kanada ist schuld
Russland: Gas-Stopp für Europa dauert wohl länger
Aufgrund der Wartungsarbeiten an der Gas-Pipeline Nord Stream 1 fürchten viele in Europa, dass Russland die Gaslieferungen gänzlich einstellen könnte. In Moskau gab man sich nun skeptisch, dass man pünktlich wieder liefern könne - schuld daran soll Kanada sein. Der Kreml drängt daher auf die Aktivierung von Nord Stream 2. Das Machtspiel um Putins Gas ist damit endgültig entbrannt.
Russlands Energieriese Gazprom will sich zur Zukunft der Energieversorgung in der EU nicht festlegen. Die Wartungsarbeiten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 - der wichtigsten Versorgungsleitung - sollen zwar an diesem Donnerstag (21. Juli) abgeschlossen sein. Aber es fehlt weiterhin eine wichtige Turbine, die Kanada lange wegen der Sanktionen nach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zurückgehalten hat. In Russland erwartet niemand, dass sie bis zum letzten Wartungstag wieder eingebaut ist. Für die Gasversorgung in Deutschland und Europa hat das Folgen.
Gaslieferungen weiter stark gedrosselt
„Davon hängt die verlässliche Arbeit der Gasleitung Nord Stream und die Versorgung der europäischen Verbraucher ab“, teilte Gazprom am Wochenende mit. Das Unternehmen beklagt, es gebe vom deutschen Konzern Siemens Energy keine Dokumente, die eine Rückkehr der Gasturbine bestätigten. Sie sei aber wichtig für die Kompressorstation Portowaja, die wiederum für den Betrieb von Nord Stream 1 essenziell sei.
Schon vor Beginn der zehntägigen Wartungsarbeiten hatte Gazprom die Gasdurchleitung durch die Pipeline um 60 Prozent gedrosselt. Das trieb die ohnehin hohen Gaspreise weiter in die Höhe.
Kaputte Turbine befeuert Krise
Zwar betont Moskau mit Blick auf die Wartungsarbeiten, Russland wolle seine Verpflichtungen als Gaslieferant auch künftig erfüllen. Aber um die Turbine dreht sich längst die Energiekrise in Europa, weil Russland ihr Fehlen nach Befürchtungen der deutschen Regierung als Vorwand benutzen könnte, die Lieferungen ganz zu kappen.
Auf die Frage aber, ob Kremlchef Wladimir Putin den Gashahn wieder aufdrehen lässt, gibt es in Moskau keine klare Antwort. Deutlich wird nur, dass Russland die Verantwortung für mögliche Schwierigkeiten am ehesten abschieben wird. Auch Gazprom betont immer wieder, auf die kaum gefüllten Gasspeicher in Europa hingewiesen zu haben.
Russland gibt Ukraine die Schuld
Der Staatskonzern gibt zudem der Ukraine die Schuld an der Lage, weil nicht einmal mehr die Hälfte der möglichen täglichen Liefermenge durch das Transitnetz des Landes geleitet werde. Die Ukraine, die trotz Moskaus Angriffskriegs derzeit noch rund 40 Millionen Kubikmeter Gas täglich nach Westeuropa pumpt, hätte es am liebsten, dass die EU ganz auf Lieferungen aus Russland verzichtet. Auch die Gasleitung Jamal-Europa ist stillgelegt, weil Polen sich weigerte, das Gas - wie von Putin gefordert - in Rubel zu bezahlen.
Schuld an den Problemen sollen aus russischer Sicht stets die anderen haben. Erinnert wird in Moskau aber angesichts der Energiekrise mit hohen Preisen und unsicherer Versorgung nicht zuletzt daran, dass es eine ganz einfache Lösung für die Lage gebe: Nord Stream 2. Die Gasleitung ist fertig, aber wegen des Ukraine-Kriegs nie in Betrieb gegangen.
Wechselseitige Abhängigkeit noch groß
Indessen weist etwa der russische Energie- und Finanzexperte Marcel Salichow darauf hin, dass Moskau von den Einnahmen aus dem Gasverkauf abhängig sei und seinen Staatshaushalt damit finanziere. Es sei auch nicht möglich, die nach Europa verkauften Mengen einfach umzuleiten und anderswo für die im Westen üblichen Preise zu verkaufen.
„Auch nach China lässt sich das nicht umleiten. Es gibt dort keine Gasleitungen mit freien Kapazitäten“, sagt der Präsident des Moskauer Instituts für Energie und Finanzen an der Hochschule für Ökonomie.
Umleitung „nicht so einfach“
Außerdem seien Russlands Anlagen für die Verflüssigung von Gas voll ausgelastet. Das Land müsste im Falle eines Abdrehens des Gashahns seine Fördermengen deutlich herunterfahren, meint Salichow. „Aber auch das ist nicht so einfach.“ Mit den überschüssigen Mengen das Inland besser versorgen? Schon jetzt werde das in Russland geförderte Gas zu mehr als zwei Dritteln im Land verwendet, erklärt der Experte. Der Verbrauch lasse sich nicht einfach hochfahren.
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Russische Produktionsstätten stehen still
Durch die Sanktionen des Westens stehen schon jetzt viele Produktionsstätten in Russland still. Und auch wenn immer wieder die teils schlechte Anbindung der Bevölkerung in ländlichen Regionen an das Gasnetz ein Thema in Russland ist, erwarten Experten nicht, dass nun plötzlich überall kostspielig Leitungen verlegt werden. Gazprom verdient damit nämlich weniger als im Export.
Ziel Russlands dürfte es daher sein, weiter in die EU zu liefern - allerdings zu klaren Bedingungen. Dazu dürfte nicht zuletzt ein Ende des Sanktionsdrucks im Ukraine-Krieg gehören.
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