Festspiel-Interview

Puccinis Musik und die Sprengung des Rahmens

Vorarlberg
18.07.2022 10:55

Die Bregenzer Festspiele zeigen heuer „Madame Butterfly“. Andreas Homoki setzt die Oper in Szene. Er liebe das Große, sagt er im Interview.

KroneHerr Homoki, als früherer Intendant der Komischen Oper Berlin und nun des Opernhauses Zürich hatten und haben Sie kleine, feine Häuser zu bespielen. Nun inszenieren Sie auf der Bregenzer Seebühne, wo 7000 Menschen zusehen. Erzählen Sie die Oper hier anders als in einem Opernhaus?
Andreas Homoki: Natürlich ist da ein Unterschied, allerdings habe ich immer schon gern auch für große Bühnen gearbeitet. Berlin und Zürich sind zwei eher intimere Häuser, aber Oper darf ruhig groß sein. Allerdings nicht auf Kosten der Genauigkeit. Ich versuche, genau zu arbeiten und trotzdem die große Bühne erlebbar zu machen.

Fakten

Regisseur Andreas Homoki, geboren 1960 in Marl, ist seit der Spielzeit 2012/13 Intendant des Opernhaus Zürich. Zuvor war er Chefregisseur und Intendant der Komischen Oper Berlin. Andreas Homoki ist seit 1999 Mitglied der Akademie der Künste Berlin. Für Bregenz setzt er „Madame Butterfly“ in Szene.

Die Handlung der „Madame Butterfly“ spielt sich großteils zwischen wenigen Menschen ab. Sie meinten neulich, diese riesige Fläche der Bühne zeige ihre Einsamkeit umso mehr.
Das ist sicher ein Punkt, aber vielleicht noch wichtiger ist, dass Puccini bereits eine Vergrößerung komponiert hat. Seine Musik sprengt den Rahmen dieser kleinen Handlung ins Universelle. Man könnte sagen: Das ist ganz großes Kino. Genau das hat uns letztlich den Mut gegeben, diese Oper hier zu machen, und wir sind immer noch guten Mutes, dass es die richtige Entscheidung war.

Für die „Krone“ führte Anna Mika das Interview mit Andreas Homoki. (Bild: Mathis Fotografie)
Für die „Krone“ führte Anna Mika das Interview mit Andreas Homoki.

Das Bühnenbild ist sehr puristisch, doch es sollen Licht und Videos, Statisten und Tänzer dazukommen. Verraten Sie uns schon etwas?
Nur so viel: Diese Bühne kann viel mehr, als man jetzt wahrnimmt. Generell hat ein Bühnenbild doch vor allem die Funktion, die Zuseher auf die handelnden Personen zu fokussieren. Wenn ein Bühnenbild einen eigenen dekorativen Selbstzweck entwickelt, tritt es mit dieser Aufgabe in Konkurrenz. Natürlich braucht ein Bühnenbild hier vor dieser Naturkulisse am See mehr Eigenständigkeit und Prägnanz als in einem geschlossenen Theaterraum.

Der Blick über den See kommt sogar in der zentralen Arie der Cio-Cio-San, also der Butterfly, vor. Beziehen Sie den See in Ihre Inszenierung ein?
Ja, das ist ein expliziter Auftrag der Festspiele: Lasst die Natur vorkommen, spielt mit dem See!

Von diesen tausenden Menschen, die die Seeaufführung erleben, haben viele noch nie ein Opernhaus betreten. Wünschen Sie sich, diese Menschen vielleicht doch einmal dazu zu motivieren?
Wir bemühen uns hier eigentlich um nichts anderes als in einem Opernhaus, nämlich um spannendes Musiktheater, mit hoffentlich interessanten Figuren und Vorgängen und selbstverständlich auf allerhöchstem Niveau. Auch mit der nötigen theatralischen Sinnlichkeit und dem, was Oper immer sein soll, nämlich ein Gesamterlebnis, das uns in seinen Bann schlägt, unterhält, erschüttert, berührt. Wir versuchen auszukommen mit den Mitteln des Theaters, wir peppen die Oper nicht in irgendeine Richtung auf.

War es eigentlich Ihr persönlicher Wunsch, hier auf der Seebühne zu inszenieren?
Ja, schon länger. Ich wollte mich dem gerne einmal stellen. Ich habe es eben gerne groß. (lacht)

Wie war der Wechsel von Berlin nach Zürich? Damals gab es ja den Sager: „Berlin ist arm, aber sexy“.
Zürich ist zwar nicht arm, aber trotzdem sexy. Ich bin sehr gerne in Zürich, und gern in der Schweiz. Natürlich ist der Unterschied groß. Für mich ging es an der Komischen Oper in Berlin darum, die Tradition ihres Gründers Walter Felsenstein fortzuführen bzw. zu erneuern. Eine Antwort darauf zu geben, was die Grundlagen für ein glaubwürdiges Musiktheater sind. Das Opernhaus Zürich ist da viel internationaler aufgestellt, mit einem sehr viel weiter gespannten künstlerischen Anspruch, denken Sie nur an das tolle Barockorchester „La Scintilla“, das uns erlaubt, selbst sehr frühe Opern ohne Gast-Ensembles zu spielen. Letztlich bedeutete Zürich für mich auch eine gewisse Entspannung, denn die ganzen Berliner Debatten über Einsparungen oder gar Theater-Schließungen konnte ich dort hinter mir lassen.

In Zürich haben Sie jetzt begonnen, Wagners „Ring des Nibelungen“ zu inszenieren. Es scheint, dass es für jeden Intendanten geradezu obligatorisch ist, dieses Werk herauszubringen. Warum?
Dieser Zyklus von vier Abenden ist eine große Herausforderung für einen Regisseur, aber vor allem wünscht sich auch die Institution selbst dieses Werk. Das Orchester beispielsweise kommt und fragt, wann wieder einmal der Ring gemacht wird, und auch das Publikum will ihn. Ich bin nun das elfte Jahr in Zürich, und es gab schon einige Anläufe für den Ring. 2025 werde ich Zürich verlassen. Somit war klar: Entweder ich mache ihn jetzt, oder ich mache ihn nie. Den ersten Abend „Rheingold“ haben wir Ende April gut herausgebracht, ab August proben wir „Die Walküre“. Ich habe große Freude mit diesem Werk, und in Zürich habe ich Bedingungen, die ich selber als Intendant bestimmen kann.

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Wir bemühen uns hier eigentlich um nichts anderes als in einem Opernhaus, nämlich um spannendes Musiktheater selbstverständlich auf allerhöchstem Niveau.

Andreas Homoki

Was bedeutet Oper im Kern?
Gut gemacht ist sie eine unvergleichliche Möglichkeit, gemeinsam mit vielen anderen Menschen etwas zu erleben, was auf einer Bühne genau in diesem Moment passiert. Und das in einer kaum zu überbietenden Gesamtheit: Musik, Theater, das gestalterische Element, und all das live. Wir kennen die Weiterentwicklung, das Kino. Auch Kino ist große Emotion. Aber direkt mit den Figuren in Verbindung zu treten, das kann nur Theater. In der Oper kommt der Gesang hinzu und mit ihm die Emotion. Da lassen uns die Figuren ganz nah an sich heran.

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