EU erwartet Notstand
Putin droht mit weiterem Senken der Gaslieferungen
Inmitten der Energiekrise warnt Kremlchef Wladimir Putin Europa vor einem weiteren Absenken der russischen Gaslieferungen. Sollte Russland eine in Kanada reparierte Turbine für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 nicht zurückerhalten, drohe Ende Juli die tägliche Durchlasskapazität der Leitung nochmals deutlich zu fallen, sagte Putin in der Nacht auf Mittwoch.
Mit seinen Äußerungen will Putin offenbar die Inbetriebnahme der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 erzwingen. „Wir haben noch eine fertige Trasse - das ist Nord Stream 2. Die können wir in Betrieb nehmen“, erklärte er demnach. Die schon vor dem Ukraine-Krieg höchst kontroverse Gasleitung wurde 2021 fertig gebaut. Nach der Invasion setzte Deutschland das Genehmigungsverfahren für den Betrieb der Leitung aus. Putin hatte schon zuvor angesichts der Energiekrise erklärt, dass durch Lieferungen über Nord Stream 2 das Preisniveau wieder sinken und sich die Situation insgesamt entspannen könnte.
Scholz: Turbine ist vorgeschobener Grund
Die 2011 in Betrieb genommene Pipeline Nord Stream 1 ist die wichtigste Gasleitung von Russland nach Deutschland. Seit Juni hat Russlands staatlicher Energieriese Gazprom die Gaslieferungen allerdings um mehr als die Hälfte der täglichen Höchstmenge auf 67 Millionen Kubikmeter reduziert. Begründet wurde dies mit der fehlenden Turbine von Siemens Energy, was der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als vorgeschoben kritisierte. Derzeit ist die mehr als 1200 Kilometer lange Pipeline zudem wegen alljährlicher Wartungsarbeiten völlig stillgelegt - planmäßig bis Donnerstag.
Sollte Russland die reparierte Turbine nicht zurückerhalten, drohe Ende Juli wegen der notwendigen Reparatur eines „weiteren Aggregats“ die tägliche Durchlasskapazität der Pipeline noch weiter zu fallen auf 33 Millionen Kubikmeter pro Tag, sagte Putin nun. Er äußerte sich am Rande eines Spitzentreffens mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi und dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan in Teheran. Nach dem Einmarsch in die Ukraine hat Moskau nach und nach mehreren europäischen Ländern das Gas abgedreht. Kritiker stuften deshalb auch die Begründung der Lieferdrosselung mit der fehlenden Turbine als Vorwand ein.
Die in Kanada reparierte Turbine wurde wegen der westlichen Sanktionen lange zurückgehalten und nicht wieder an Russland übergeben. Zuletzt entschied die kanadische Regierung aber auf Bitten Berlins, die Turbine an Deutschland zu übergeben, womit sie wieder eingebaut werden kann. Damit solle Russland ein Vorwand für einen endgültigen Stopp der Gaslieferungen oder deren anhaltende Drosselung genommen werden, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium in Berlin.
Das klappt nun offenbar nicht: Aus Moskau hieß es, bis jetzt weder die Maschine noch die dazugehörigen Dokumente eingetroffen. Außerdem lassen Putins Äußerungen in Teheran darauf schließen, dass auch nach Ende der Wartungsarbeiten und selbst bei Einbau der Turbine die Pipeline möglicherweise nicht wieder auf volle Leistung hochgefahren würde.
„Gehen vom Schlimmsten aus“
Russland steht seit langem im Ruf, seine Energielieferungen als Druckmittel einzusetzen. Besonders vor diesem Hintergrund stellt die EU-Kommission am Mittwoch einen Notfallplan vor, wie sich Europa auf einen drohenden Gasmangel im Winter vorbereiten kann. „Wir gehen bei unseren Wintervorbereitungsplänen vom schlimmstmöglichen Szenario aus“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Dienstag. Erwartet wird unter anderem, dass der Brüsseler Plan vorsieht, dass öffentliche Gebäude, Büros und kommerzielle Gebäude ab Herbst bis maximal 19 Grad beheizt werden sollen und es verpflichtende Gassparziele geben könnte.
In Teheran forderte Putin in der Debatte um die Blockade ukrainischer Getreide-Exporte eine Rücknahme westlicher Sanktionen auf Ausfuhren von russischem Getreide: „Wir werden die Ausfuhr ukrainischen Getreides erleichtern, aber wir gehen davon aus, dass alle Beschränkungen im Zusammenhang mit Luftfrachtlieferungen für die Ausfuhr von russischem Getreide aufgehoben werden“, sagte er.
Keine Sanktionen gegen Getreidelieferungen
Westliche Staaten werfen Russland vor, die Ausfuhr von ukrainischem und russischem Getreide bewusst einzuschränken. Moskau hingegen macht die westliche Sanktionspolitik für ausbleibende Exporte und weltweit steigende Lebensmittelpreise verantwortlich. Die EU und andere Länder haben allerdings immer wieder betont, dass Lebensmittellieferungen aus Russland nicht unter ihre Sanktionen fallen.
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