Wir fahren mit und hören zu. „Krone“-Reporter Robert Fröwein setzt sich auf die Taxi- oder Uber-Rückbank und spricht mit den Fahrern über ihre Erlebnisse, ihre Sorgen, ihre Ängste. Menschliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Am Montag stöhnte London unter der Hitze und das Thermometer erreichte fast die 40-Grad-Marke. Rund um die Stadt brachen Brände aus, Schulen blieben geschlossen, an den Eingängen zur Metro wurden Reisewarnungen angebracht und am Flughafen Luton wurde das Rollfeld beschädigt. Auf der Heimreise nach Wien von Gatwick aus hatte ich Glück. Neben den üblichen Problemen mit mangelndem Personal und Abwicklungsschwierigkeiten schüttelte die unnatürliche Hitze auch noch den Flugplan kräftig durch. Dass wir nach mehreren Startverzögerungen kurz um 1 Uhr morgens doch noch in Wien landeten, war eine halbe Sensation. Doch was dann? Die Öffentlichen fahren längst nicht mehr, die Taxischalter haben zu und Uber-Anbieter sind nicht verfügbar. Ein Glück, dass ich mein Flughafentaxi vorbestellt habe und Thomas auch wirklich kommt.
„Heute ist kein einziger Flug pünktlich gegangen“, klagt er mir noch leicht verschlafen, „es ist schon seit einigen Wochen schlimm, aber langsam wird es unerträglich.“ Thomas war so nett, mich während meiner Wartezeit am Londoner Flughafen nach dem Stand der Dinge zu fragen. Meine Annahme, er hätte die Flugverzögerung ohnehin in seiner App aufleuchten, war falsch. „So sollte es sein, aber so ist es in der Realität nicht.“ Er zeigt mir meinen Flug auf dem leuchtenden Handy-Display - es sind keine Infos zu erkennen. „Und so ist das in letzter Zeit oft. Wie soll man dann noch wissen, mit welchen Verspätungen man zu rechnen hat und wie man sich die Fahrten einteilen soll?“ Die unerwarteten Probleme mit der Logistik gehen direkt auf die Kunden über. Flugverschiebungen führen zu Terminüberschneidungen, die führen wiederum zu Stornierungen.
„Gerade bei Stammkunden versuchen wir natürlich alles, aber es ist nicht einfach“. Verschieben sich auch beim Taxifahrer die Zeiten und er kommt verspätet am Flughafen an, ist er oft dem Zorn der wartenden Kunden ausgesetzt. „Ich verstehe sie ja. Sie zahlen viel Geld, damit sie nach einer anstrengenden Reise möglichst schnell wieder nach Hause kommen und müssen leider öfters warten.“ Manchmal, so Thomas, habe er auch Glück. Etwa letzte Woche, als zwei Flüge aus zwei verschiedenen Ländern gleichzeitig ankamen und beide Fahrgäste auf einer Wegstrecke waren. „Ich habe gefragt, ob ich sie ausnahmsweise gemeinsam mitnehmen kann und sie sagten zu. Das ist auch nicht selbstverständlich, denn bei uns bucht man ja kein Gruppentaxi.“
Doch nicht nur fehlende Informationen in Apps und aufgebrachte Fahrgäste machen Thomas und seinen Kolleginnen zu schaffen. Wie auch in anderen Berufsbranchen finden sie derzeit einfach kein Personal. „Wir hatten vor der Pandemie doppelt so viele Fahrer und lange gehofft, dass die meisten wieder zurückkommen. Aber viele von ihnen haben sich umorientiert. Sie arbeiten jetzt irgendwo im Lager oder im logistischen Bereich. Dort sind die Jobs sicherer und außerdem schläft man besser.“ Neue Fahrer können nicht wie früher behutsam aufgebaut werden. „Da wir so wenige sind, haben wir permanent viele Fahrten. Dann hast du noch die unzähligen Verschiebungen und Absagen von Flügen. Man muss also spontan und schnell sein. Das geht ohne Routine nicht und zum Einschulen ist jetzt, wo alle in den Urlaub fliegen, überhaupt keine Zeit mehr.“
Thomas‘ letzte Fahrt vor mir war um 22.30 Uhr, die erste nach mir dann um 3.20 Uhr Richtung Flughafen. Die abgehackten Phasen zwischen den Fahrten nützt er zum Schlafen. „15 Minuten reichen mir oft völlig, um wieder fit zu sein“, kommentiert er die eigentlich lebensunwürdigen Bedingungen, „wir nützen jede Möglichkeit, um ein Auge zutun zu können. Das ist tagsüber bei den hohen Temperaturen fast unmöglich, aber zwischen mittags und abends ist es noch am ruhigsten. Davor und danach geht es jeden Tag Schlag auf Schlag. In der Urlaubszeit unterscheidet sich auch der Dienstag nicht vom Samstag.“ Eine Lösung ist zumindest unmittelbar nicht in Sicht. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, übt sich Thomas in Galgenhumor …
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