Das größte Risiko für Österreichs Wirtschaft geht derzeit vom Ukraine-Krieg und einem möglichen Totalausfall der russischen Gaslieferungen aus, sagen die Wirtschaftsforscher des Instituts für Höhere Studien (IHS). Österreich müsste dann seinen Gasverbrauch um 27 Prozent reduzieren, was auch mit einem Produktionsrückgang verbunden wäre. Die Ökonomen empfehlen deshalb, dass der Staat Gas auf Vorrat einkauft.
Den Folgen des Ukraine-Krieges und der Gaskrise widmen die IHS-Experten ein Sonderkapitel in ihrer Mittelfrist-Prognose, die am Donnerstag in einer Pressekonferenz präsentiert wurde. Zentrale Aussage: ein russischer Gaslieferstopp - der keinesfalls abgewendet ist - hätte gravierende negative Folgen für Österreichs Wirtschaft. „Man sollte sich nach wie vor auf einen Worst Case zumindest vorbereiten“, sagte Forschungsgruppenleiter Michael Reiter.
Die IHS-Modellrechnungen gehen von der Annahme aus, dass im Zeitraum Herbst 2022 bis Sommer nächsten Jahres 27 Prozent des Erdgasverbrauchs eingespart werden müssten, was zu einer Reduktion des BIP um drei Prozent führen würde. Diese Einsparungen würden zwangsläufig auch zu Produktionsrückgängen führen, selbst wenn genug Gas beschafft werden kann, das aber zu sehr hohen Preisen. „Wenn sich der Gaspreis im Falle eines sofortigen Lieferstopps auf etwas weniger als 300 Euro je Megawattstunde stabilisiert und dieser Preis auch wirklich an die Endnutzer weitergegeben wird, dann würde sich erst diese Einsparung von 27 Prozent einstellen“, erklärte Reiter.
„Gas sparen, wo immer es geht“
Einsparungen bei den Haushalten und in der Stromerzeugung würden die verfügbare Gasmenge für die Industrie erhöhen und damit das BIP stützen. Die Wirtschaftsforscher nehmen dabei an, dass das vorhandene Gas über einen Preismechanismus effizient auf die Wirtschaftssektoren aufgeteilt wird, das sei „das oberste Gebot für die Wirtschaftspolitik“, so die IHS-Volkswirte. „Gas sparen, wo immer es geht, ist, glaube ich, die Devise“, sagte Reiter.
Um die aufgrund der Energiepreisexplosion notleidenden Haushalte und Unternehmen unterstützen zu können, sollte der Staat Gas auf Vorrat einkaufen, sodass bei einer weiteren Erhöhung der europäischen Gaspreise fiskalische Gewinne generiert werden können, lautet die Empfehlung.
Kritik an Maßnahmen in NÖ
Kritisch sieht IHS-Chef Klaus Neusser den von der niederösterreichischen Landesregierung vorgestellten Strompreisrabatt. „Ich wohne in Niederösterreich und freue mich, dass auch ich in den Genuss dieses Deckels komme. Sie sehen daran schon, wie sozial treffsicher die Maßnahme ist“, meinte er sarkastisch. Vielen privaten Haushalten sei außerdem nicht klar, dass es sich bei der Maßnahme eben nicht um einen „Preisdeckel“ handle, warnte zudem Ökonom Reiter. Nur eine relativ kleine Strommenge werde subventioniert, darüber hinaus verbrauchter Strom könne aber sehr teuer werden.
Hohe Energiepreise befeuern auch weiter die Teuerung, die in den kommenden Monat nur wenig nachlässt. Im Durchschnitt des laufenden Jahres klettert sie laut IHS-Berechnungen auf 7,5 Prozent. Im kommenden Jahr sollten die Rohölpreise nicht mehr preistreibend wirken und auch die Lieferkettenprobleme dürften sich entspannen - dennoch dürfte die Inflationsrate mit voraussichtlich 4,75 Prozent hoch bleiben. Erst in den folgenden Jahren bis 2026 dürfte sie auf 2,25 Prozent sinken. „Das bedeutet nicht, dass die Preise sinken, es bedeutet nur, dass die Preise weniger schnell steigen“, betonte Hofer.
Wirtschaftswachstum gebremst
Die hohe Inflation bremst den Aufholprozess der heimischen Wirtschaft nach der Coronakrise. Das IHS erwartet für die Jahre 2022 bis 2026 ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent. Dieses vergleichsweise starke Wachstum gehe allerdings hauptsächlich auf das Jahr 2022 mit einem Wachstum von 3,8 Prozent zurück, „und das wird getrieben durch den Aufholprozess nach der Corona-Krise“, sagte IHS-Prognoseleiter Helmut Hofer. Danach werden kleinere Zuwächse von bis zu 1,4 Prozent erwartet - Die Wirtschaftsleistung dürfte damit im gleichen Tempo wie im Euroraum zulegen, sagen die IHS-Ökonomen. Die Arbeitslosenquote dürfte demnach im gleichen Prognosezeitraum etwa sechs Prozent betragen.
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