Chaos in der Luft

Flughafen-Chef: „Viele haben das Reisen verlernt“

Oberösterreich
22.07.2022 11:20

Tausende Koffer, die am Flughafen Frankfurt liegen blieben; eine Obergrenze von 100.000 Passagieren pro Tag in London-Heathrow und damit verbundene Flugstreichungen; Ausfälle, Verspätungen, Streiks, die Reisenden Nerven und Zeit kosten: „Es ist Wahnsinn“, sagt Norbert Draskovits über die Turbulenzen in der Luftfahrtbranche. Der Chef des Linzer Flughafens über Flug-Chaos, Personalmangel, Folgen des Ukraine-Kriegs, Aussichten und Tipps.

„OÖ Krone“: Herr Draskovits, vergeht den Oberösterreichern angesichts dieses Chaos die Lust, in ein Flugzeug zu steigen?
Norbert Draskovits: Nein, die Leute wollen fliegen - und ans Mittelmeer etwa funktioniert es ja auch. Die Situation trifft bei uns eher Geschäftsreisende, ein Segment, das ohnehin schon schwerer zurückkommt als die Urlaubsflüge.

Amsterdam, Frankfurt, London: Auf den großen Flughäfen scheint es derzeit die größten Probleme zu geben.
In Europa sind die Probleme sehr konzentriert auf einige Standorte. Wenn man weiß, dass der Flugverkehr im Monat Juni auf 75% im Vergleich zur Zeit vor Covid war, lag man damit unter den Erwartungen.

Was ist schuld an diesem anhaltenden Dilemma?
Dass wir als Branche in einigen Bereichen die Mitarbeiter nicht zurückbekommen haben, die während der Pandemie abgebaut wurden.

Wie sehr leidet da der Flughafen Linz darunter?
Aus den internationalen Drehscheiben heraus kriegen alle österreichischen Bundesländerflughäfen die dortigen Verspätungen und Stornierungen ab. Es greift ja jedes Rädchen ineinander. Bei uns hatten 2017, 2018, 2019 im Schnitt drei Prozent unserer Flüge mehr als eine Stunde Verspätung, jetzt im Juni sind wir bei neun Prozent. Wir hatten aber keinen Flug, der mehr als drei Stunden zu spät war.

Am Linzer Airport gibt es bei klassischen Urlaubsflügen kaum Probleme. (Bild: Alexander Schwarzl)
Am Linzer Airport gibt es bei klassischen Urlaubsflügen kaum Probleme.

Wann ist kurzfristig Entspannung in Sicht?
Das Juli- und August-Loch in Bezug auf Geschäftsreisen hilft ein bisschen, die Lage zu entspannen. Außerdem sind die Airlines dazu übergegangen, lieber ganze Monate um Flüge zu bereinigen, statt kurzfristig zu reagieren. Deshalb glaube ich, dass diese Verlässlichkeit wieder steigen wird. Ab 20. September ist unser dritter täglicher Frankfurt-Flug geplant.

Wie sieht’s in Bezug auf Urlaubsflüge im Sommer 2022 in Hörsching aus?
Das Urlaubssegment ist sehr, sehr gut gebucht. Unsere Flüge sind nahezu voll im Juli und August. Wir haben hier keine Verspätungen, die über das normale Maß hinausgehen.

Was würden Sie jemandem raten, der jetzt wegfliegt?
Packen Sie das Gepäck ordentlich und schauen Sie, dass die Dokumente griffbereit sind, damit es in der Security-Line, wenn man endlich dran ist, schnell geht. Auch ein Vorabend-Check-in ist ratsam, wenn die Anfahrt zum Flughafen kurz ist. Viele haben das Reisen verlernt: Dass man einen Laptop vom Handgepäck auf das Band herauslegen muss, die Flüssigkeiten in einen Beutel gehören - das haben viele nicht mehr im Kopf, weil sie zwei Jahre nicht gereist sind. Das muss wieder gelernt werden.

Werden Sie eigentlich in diesem Sommer eine Flugreise antreten?
Ich bin mehr der Herbstferien- als der Sommerferien-Urlauber, aber im September könnte es eine Woche Griechenland werden.

Flug-Chaos, Energiekrise, Krieg, Covid: Wie weit trauen Sie sich in diesem Spannungsfeld, am Flughafen Linz nach vorne schauen?
Wir planen bei den Passagierflügen am Sommer 2023. Dazu versuchen wir, noch Kapazitäten für diesen Sommer aufzutreiben. Es gibt aber derzeit keine verfügbaren Flugzeuge.

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Von den großen Airlines hören wir, dass die Krankenstände deutlich steigen: durch Covid und auch durch Überbelastung.

Norbert Draskovits

Apropos 2023: Lufthansa-Chef Carsten Spohr rechnet, dass das Chaos bis Sommer nächsten Jahres anhält. Ist die Personallücke wirklich nicht schneller zu füllen?
Hier wird schon einiges gemacht, aber es ist ja nicht das einzige Thema, das die Branche fordert. Der Ukraine-Krieg sorgt dafür, dass die Lufträume von Russland und der Ukraine für den zivilen Luftverkehr nicht zugänglich sind. Alles, was über Russland nach Asien gegangen ist, wird jetzt umgeleitet, damit sind die Flugstraßen über Österreich und Deutschland voll.

Zurück zu den Mitarbeitern: Welche Maßnahmen braucht es hier?
Ich glaube, man muss die Branche attraktiver machen. Wir haben uns das auch angeschaut. Vor allem im Arbeiterbereich haben wir gesehen, dass wir gehaltstechnisch nachziehen müssen. Außerdem darf man nicht vergessen: Wir haben zur Zeit eine Covid-Welle. Von den großen Airlines hören wir, dass die Krankenstände deutlich steigen: durch Covid und auch durch Überbelastung.

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