Schweißtreibende Hitzerekorde im Tal, nächtliche Plusgrade auf 3250 Metern Seehöhe: Ein „Krone“-Lokalaugenschein am Hintertuxer Gletscher in Tirol, wo der Skibetrieb dieser Tage trotzdem läuft.
Die junge Holländerin zeigt bei der Gondel-Talfahrt Humor: „Ab 13 Uhr ist es Wasserski“, lacht die angehende Skilehrerin über die Bäche, die sich am Nachmittag über die Gletscherpisten ergießen. Aber Hauptsache, die Anwärter-Prüfung klappt. Und der junge Ausbildner aus Salzburg ist froh, dass er auf den Hintertuxer Gletscher ausweichen konnte. Daheim am Kitzsteinhorn ist der Skibetrieb längst eingestellt.
Heuer war die Ausaperung um vier bis fünf Wochen früher als üblich.
Seilbahner Andreas Dengg
Es ist der 22. Juli und der Hitze-Sommer ist für das ewige Eis eine Zerreißprobe. Grau statt weiß dominiert den Rundblick, 40 von 400 Hektar Eis werden mit Abdeckungen von der unbarmherzigen Sonne geschützt. „Ja, heuer war die Ausaperung um vier bis fünf Wochen früher als üblich“, nickt Andreas Dengg von der gleichnamigen Seilbahnerfamilie.
Von Wind bis hin zum Sahara-Staub
Er zeigt auf einen Messpunkt: „Normalerweise liegen hier im Frühjahr 9,5 bis elf Meter Schnee, diesmal waren es nur sieben.“ Häufiger Wind habe die weiße Pracht verblasen, sagt Dengg. Und dann kam auch noch der Sahara-Staub hinzu – dunkle Schneeflächen leiden unter der Sonne mehr.
„Daher ist die Pistenpräparierung für den Gletscher sogar ein Vorteil, weil die oberste Schicht wieder weißer wird“, betont Dengg. Von 21 Anlagen sind derzeit sieben in Betrieb – nicht mehr und nicht weniger als in anderen Sommern.
Trainings und Ausbildung, nur wenige privat mit Ski
Die Kundschaft? „Großteils Skitrainings oder Skilehrerausbildungen, rund 500 Personen täglich. Private Skiläufer sind die Ausnahme.“ Die meisten kommen in Wanderausrüstung – um einmal das ewige Eis rund um Olperer (3476 Meter) und Gefrorene-Wand-Spitze (3288) zu sehen oder die Spannagelhöhle zu erkunden. 54 Nationen zählte man zuletzt unter den Besuchern – bis hin zu Iranern und Kenianern.
Dieser Tage sorgte ein Video in sozialen Netzwerken für Aufregung – mit Skifahrern auf grauem Eis, mitten in Sturzbächen. Die Szenen stammen nicht von heuer, doch man könnte sie auch derzeit so filmen. Hämische Kommentare blieben nicht aus. Sommerskilauf in Zeiten der täglichen Klimawandel-Schlagzeilen kommt vielen befremdlich vor.
Schmerzt die Kritik? „Wir haben keinen Plan B“
Tut solche Kritik von außen weh? „Diesen Leuten fehlt das Hintergrundwissen“, meint der junge Unternehmer nachdenklich. „Denn es gibt in unserem Tal keinen Plan B außer den Tourismus.“ Pendeln bis in den Tiroler Zentralraum sei nicht zumutbar und von der Landwirtschaft könne hier niemand leben. Das Geschäftsmodell stehe daher außer Diskussion.
Inkludiert ist am Gletscher jede Menge Aufwand – bis hin zur zweimal jährlich nötigen Versetzung der Liftstützen. Sie bewegen sich auf dem fließenden Eis. Droht heuer – wie am Stilfser Joch (Südtirol) – die Einstellung des Sommer-Skilaufs? Dengg zuckt mit den Schultern: „Man müsste ein Wetterprophet sein.“
Fast sicher ist, dass die graue Trostlosigkeit endet. Im September, so die Erfahrung, kommt irgendwann ein Adriatief. Ein Dreiviertelmeter Schnee auf einen Schlag ist keine Seltenheit. Dann wird es für neun Monate Winter.
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