Auch mehrere Tage nach dem Beschluss des Endes der Covid-Quarantäne in Österreich reißt die Kritik daran nicht ab. Besonders laut äußerte diese am Freitag Ärztekammer-Vizepräsident Harald Mayer - die Regelung sei nicht nur kaum umsetzbar, sie grenze zum Teil sogar an „Körperverletzung von Nicht-Erkrankten“, zeigte er sich entsetzt. Das Konzept der „Eigenverantwortung“ erachtet Mayer in Österreich für gescheitert.
Besonders viel Konfliktpotenzial sieht Mayer im Ö1-„Morgenjournal“ dabei in den Spitälern. Nach wie vor haben dort nämlich infizierte Personen - mit wenigen Ausnahmen - Betretungsverbot. Doch „wie soll das funktionieren?“, sieht er vor allem praktische Probleme: „Muss vor jedem Krankenhauseingang und jeder Gesundheitseinrichtung irgendein Sheriff stehen oder ein Security-Mensch, der die Leute überprüft?“
Mayer: „Das kann eskalieren“
Doch selbst dann hätte er Zweifel an der Machbarkeit „Die Leute werden dann erklären: Das geht ihn nichts an und sie müssen da jetzt hinein - das kann eskalieren, das wird nicht umsetzbar sein.“ Mediziner seien schlicht dazu da, um Patientinnen und Patienten zu helfen, wieder gesund zu werden, und nicht, um Corona-Regeln zu exekutieren oder zu verfolgen: „Und dazu haben wir auch keine Lust“, so Mayer.
Besonders kritisch sieht er aber, dass künftig auch infiziertes Personal in den Spitälern arbeiten darf. Hierbei handle es sich um eine „Mischung aus Verantwortungslosigkeit und Fahrlässigkeit an der Grenze zur Körperverletzung von Nichterkrankten. Mir schwant nichts Gutes“, macht er keinen Hehl daraus, dass er mit der Neuregelung nichts anfangen kann.
Politik muss im Ernstfall Konsequenzen ziehen
Die Entscheidung, das Ende der Quarantäneregeln zu besiegeln, sei eine „politische“, führt er weiter aus: „Ich erwarte mir, dass die Politik die Konsequenzen, die daraus entstehen können, trägt und die Verantwortung dafür übernimmt“, legt er den Verantwortlichen indirekt gar einen Rücktritt nahe, sollten die Befürchtungen der Experten tatsächlich eintreten.
Mit der nun gefällten Entscheidung öffne man schließlich Tür und Tor für Dinge, „von denen man jetzt schon weiß, dass sie uns im Herbst auf den Kopf fallen werden“, fürchtet er, dass durch die steigende Infektionsbelastung das Gesundheitssystem einmal mehr an die Grenzen der Belastbarkeit kommen werden. Es gebe aus medizinischer Sicht jedenfalls keinen Grund für das Aus.
„Thema Eigenverantwortung ist gescheitert“
Dass die Regierung verstärkt auf Eigenverantwortung setzen will, kann er nach den bisherigen Erfahrungen mit der Pandemie nicht nachvollziehen „Das Thema Eigenverantwortung kann man für Österreich als gescheitert bezeichnen - die hat der Österreicher und die Österreicherin leider nicht“, zeigt er sich skeptisch, das Coronavirus so in den Griff bekommen zu können.
Ganz ähnlich sieht das auch Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Gesundheits- und Pflegeverbands: „Wenn wir einen Rückblick wagen, muss man sagen, dass es gewisse Grenzen gibt. Wir sind nicht besonders gut darauf geschult, bezüglich unserer eigenen Gesundheit Verantwortung zu übernehmen.“
„Denken, dass noch mehr Personal ausfällt“
Auch sie sieht das Quarantäne-Aus sehr kritisch - wissentlich positiv getestet zu einem Patienten zu gehen, habe schließlich eine ganz andere Qualität. Im ersten Moment scheine es zwar verführerisch, mit infiziertem Personal die angespannte Situation im Gesundheitsbereich etwas zu entlasten, „aber wir denken, dass es dazu führen wird, dass noch mehr Personal ausfällt“.
Der Schuss würde im Endeffekt wohl nach hinten losgehen, so Potzmann, die dabei an die Arbeitgeber appelliert, Covid-positive Mitarbeiter zumindest nicht direkt mit Patienten arbeiten zu lassen.
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