Bedroht, beschimpft

Hetzkampagne: Ärztin wurde in den Tod getrieben

Oberösterreich
29.07.2022 18:58

Monatelang wurde die Medizinerin Lisa-Maria Kellermayr (36) in Oberösterreich von Impfgegnern mit Mord bedroht und beschimpft. Nun ist sie tot.

Seit November 2021 lebte die Allgemeinmedizinerin Lisa-Maria Kellermayr (36) aus Seewalchen am Attersee in Angst und Schrecken. Der Grund: Sie trat öffentlich für die Corona-Impfung auf, brachte so radikale Impfgegner gegen sich auf. Es folgten Morddrohungen, Beschimpfungen und Beleidigungen.

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Die Leute, die uns da bedrohen, sind der Überzeugung, dass sie das Recht haben, mich zu töten. Und dass sie als gute Menschen handeln, weil ich das personifizierte Böse bin.

Lisa-Maria Kellermayr

Kellermayr fühlte sich von der Polizei nicht genug geschützt, machte die Bedrohungen öffentlich und heuerte einen privaten Sicherheitsdienst an und musste Ende Juni dennoch ihre Praxis schließen. In einem Interview mit der „Krone“ meinte sie damals: „Ich kann kein Risiko eingehen, wenn es um die Sicherheit meiner Patienten und Mitarbeiterinnen geht.“

Und Kellermayr hatte schon damals eine Vorahnung, was noch auf sie zukommen könnte. „Die Leute, die uns da bedrohen, sind der Überzeugung, dass sie das Recht haben, mich zu töten. Und dass sie als gute Menschen handeln, weil ich das personifizierte Böse bin. Weil ich in ihren Augen Tausende Menschen umgebracht habe, weil ich sie geimpft habe“, sagte sie auf die Frage, ob denn durch den Wegfall der Impfpflicht die Bedrohungen ein Ende nehmen würden.

(Bild: zVg)

Hetzkampagne in den letzten Tagen
Sie sollte Recht behalten. In den vergangenen Tagen machte der radikale Mob der Impfgegner wieder gegen die Ärztin mobil. In einschlägigen Telegram-Gruppen wurde gehetzt und gedroht. Auf Twitter hetzte ein Mann aus Deutschland, gegen den die Behörden wegen der Drohungen gegen Kellermayr bereits ermittelten, ganz ungeniert.

Dies alles wurde Lisa-Maria Kellermayr nun offenbar zu viel. Am Freitag gegen 7.30 Uhr fand eine Assistentin die Ärztin leblos in der Ordination. Sie hatte sich das Leben genommen, bestätigte die Staatsanwaltschaft Wels der „Krone“. Es wurde in der Ordination auch ein Abschiedsbrief gefunden. Da die Todesursache klar sei, wird es laut Staatsanwaltschaft keine Obduktion geben.

Trauernde versammelten sich vor dem Gesundheitsministerium, um der verstorbenen Ärztin zu gedenken. (Bild: APA/Tobias Steinmaurer)
Trauernde versammelten sich vor dem Gesundheitsministerium, um der verstorbenen Ärztin zu gedenken.

Trauernde vor Ministerium, Gedenkveranstaltung am Montag
Am Freitagnachmittag versammelten sich Trauernde vor dem Gesundheitsministerium in Wien, um der verstorbenen Ärztin zu gedenken. Für den kommenden Montag ist zudem um 20 Uhr eine Gedenkveranstaltung unter dem Motto „Yes we care“ am Stephansplatz geplant, initiiert von Daniel Landau.

Van der Bellen: „Beenden wir dieses Einschüchtern“
„Sie ist als Ärztin dafür eingestanden, Menschen zu heilen und vor Krankheiten zu beschützen“, erklärte Bundespräsident Alexander Van der Bellen via Twitter, und habe sich „für Impfungen und einen vorsichtigen Umgang mit der Pandemie“ starkgemacht. Manche Menschen „hat das in Wut versetzt“, so Van der Bellen weiter. „Beenden wir dieses Einschüchtern und Angst machen. Hass und Intoleranz haben in unserem Österreich keinen Platz“, erklärte der Bundespräsident, der Familie und Freunden von Kellermayr sein Mitgefühl aussprach. „Sie sind nicht alleine. Wir alle sind bei Ihnen.“

„Tief betroffen“ zeigte sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. „Ihr Tod zeigt uns, dass wir Hass und Intoleranz in unserer Gesellschaft keinen Raum geben dürfen“, wie er auf Twitter mitteilte. Seine Gedanken seien bei den Hinterbliebenen der Medizinerin. Zuvor hatte sich bereits Gesundheitsminister Johannes Rauch „bestürzt“ über den Tod der Ärztin gezeigt. „Morddrohungen gegen sie und ihre Mitarbeitenden waren brutale Realität“, so der Minister via Twitter.

Ärztekammer „zutiefst schockiert“
Die Österreichische Ärztekammer zeigte sich in einer Aussendung „zutiefst schockiert“ über den Tod der Medizinerin. Dieses tragische Ereignis zeige in erschreckender Weise, welche Folgen Hass im Netz haben können, so Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart in einer ersten Reaktion. Der aktuelle tragische Fall zeige einmal mehr die Notwendigkeit von Unterstützung für die im Gesundheitswesen Tätigen, sowohl was den direkten Schutz betrifft als auch Angebote von Supervision und Krisenbewältigung im Falle von Bedrohungen.

Steinhart sprach zudem den Angehörigen und Freunden im Namen der Ärzteschaft tief empfundene Anteilnahme aus. Die Gedenkveranstaltung in Wien am Montagabend wolle man unterstützen. Wiener Ärzte würden verständigt und gebeten, an der Veranstaltung teilzunehmen, um ein „Zeichen für Solidarität und gegen Gewalt und Hass“ zu setzen.

Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden oder von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 142. Weitere Krisentelefone und Notrufnummern finden Sie HIER.

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