Russland soll die Institutionen in der Ukraine bereits vor Kriegsbeginn systematisch unterwandert haben. Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters ergaben, dass russische Geheimdienste zum Beispiel jahrzehntelang Informationen zum Kernkraftwerk Tschernobyl geliefert hätten. Damit sei es möglich gewesen, das Werk ohne Widerstand einzunehmen.
Tschernobyl, das für die aus dem Norden vordringenden Truppen auf dem kürzesten Weg nach Kiew lag, sollte den Auftakt für die Übernahme der Macht über die gesamte Ukraine bilden. Spätestens seit der Nuklearkatastrophe 1986 war Tschernobyl ein Bollwerk von aus Moskau gesteuerten Geheimdiensten. Der KGB (russischer In- und Auslandsgeheimdienst, der bis 1991 bestand, Anm.) schickte mehr als 1000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu den Aufräumarbeiten, wie aus ukrainischen Dokumenten hervorgeht. Diese wurden an einflussreichen Positionen installiert und erhielten laut einem Insider auch nach dem Ende der Sowjetunion 1991 noch Befehle aus Moskau.
Bestechung, um Werk einzunehmen
Das Kernkraftwerk Tschernobyl ist zwar seit mehr als 20 Jahren außer Betrieb, dennoch ist weiterhin Personal mit den Stilllegungs- und Überwachungsarbeiten beschäftigt. Russland soll laut der Recherche daher im November 2021 seine alten Verbindungen reaktiviert haben. Konkret wurden laut einem Insider etwa Agenten und Agentinnen bestochen, damit das Kraftwerk ohne Blutvergießen eingenommen werden kann. Der stellvertretende Generaldirektor der Anlage und Oberst des ukrainischen Geheimdiensts SBU, Valentin Witer, sitzt bereits in Untersuchungshaft. Er soll sich am 24. Februar, dem Tag des Einmarschs, unerlaubt von seinem Platz entfernt haben und wird des Hochverrats beschuldigt. Zuvor hatte er den Chef der in Tschernobyl ansässigen Einheit der Nationalgarde dazu aufgefordert, seine Leute zu schonen.
Krieg sollte nur wenige Tage dauern
Insgesamt hätte der Krieg in der Ukraine für Moskau nur wenige Tage dauern sollen, wie Reuters berichtete. Fünf Personen, die mit den Kriegsvorbereitungen vertraut waren, sagten, dass der Kreml darauf aufgebaut hätte, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj innerhalb weniger Tage zurücktreten, kapitulieren oder flüchten werde. Dazu sollten ukrainische Handlanger beitragen.
Dazu kam es jedoch nicht. Das ukrainische Militär leistet seit mehr als fünf Monaten Widerstand und Selenskyj ist weiterhin im Land. Dass sich Moskau verschätzt hat, soll unter anderem mit strukturellen Problemen des russischen Agentennetzes zu tun haben. Die Separatistenführung wisse laut einem Insider beispielsweise nur wenig, aber sage immer, was die Führung hören wolle, weil sie sonst nicht bezahlt werde. Was Russland jedoch gelungen ist: Das Misstrauen in den ukrainischen Geheimdienst SBU, der ungefähr 30.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt, ist gestiegen. So wurden bereits 651 Verfahren wegen Hochverrats und Kollaboration eröffnet. Am 17. Juli feuerte der ukrainische Präsident SBU-Chef Iwan Bakanow und Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa.
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