Streit mit Serbien
Kosovo: Der kleinste Funke genügt
Eigentlich hätten ab Montag neue Einreiseregeln für serbische Staatsbürger in den Kosovo gelten sollen. Im mehrheitlich von Serben bewohnten Norden des kleinen Balkanstaates liefen militante Serben Sturm gegen die Regelung. Am Sonntag eskalierte die Situation. Barrikaden wurden errichtet, es fielen Schüsse auf Polizisten. Um die Lage ein wenig zu entspannen, wurde die neue Regelung um einen Monat verschoben. Der Vorfall beweist wieder einmal, dass der seit vielen Jahren schwelende Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo durch den kleinsten Anlass gefährlich eskalieren kann.
Wurzel des Unmuts im serbisch dominierten Nordkosovo war, dass die kosovarische Regierung ab Montag beim Grenzübertritt keine serbischen Personaldokumente mehr anerkennen und den Reisenden stattdessen ein provisorisches Dokument ausstellen wollte. Auch die von serbischen Behörden ausgestellten Autokennzeichen sollten durch kosovarische getauscht werden. Anstelle des Kürzels KM - Kosovska Mitrovica - sollte es künftig nur noch RKS-Kennzeichen - Republik Kosovo - geben.
Bei der neuen Grenzregelung sollte es sich nach Meinung des kosovarischen Premiers Albin Kurti eigentlich nur um eine wechselseitige Maßnahme handeln. Aufgrund einer mit Belgrad im Jahr 2011 erzielten Vereinbarung über die Bewegungsfreiheit sind die Bürger des Kosovo - allerdings nicht jene serbischer Abstammung - bei der Einreise nach Serbien auf von serbischen Behörden ausgestellte vorläufige Personaldokumente angewiesen. Hintergrund des gesamten Konflikts ist, dass es Belgrad nach wie vor ablehnt, die im Jahr 2008 verkündete Unabhängigkeit des Kosovo, seiner ehemaligen Provinz, und somit auch seine Personaldokumente anzuerkennen.
Dass es bei der neuerlichen Eskalation im Nordkosovo wohl nicht nur um die jüngsten Maßnahmen der Regierung in Pristina ging, war am Montag wieder einmal ersichtlich. In den vier von Serben bewohnten Gemeinden - Mitrovica, Leposavic, Zvecan und Zubin Potok - waren Plakate mit der Aufschrift „Willkommen in der Gemeinschaft der Serbischen Gemeinden“ aufgetaucht, was von Pristina wohl nur als eine weitere Provokation Belgrads verstanden werden kann.
Kosovo „entnazifizieren“?
Tatsächlich hat Belgrad die Situation in den vier Gemeinden im Norden des Kosovo seit Jahren voll unter Kontrolle, auch dank der Belgrad-treuen „Serbischen Liste“, die aber auch an der Regierung des kosovarischen Ministerpräsidenten Kurti beteiligt ist. Im Zuge der nationalistischen Wortspenden vom serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic abwärts fiel sogar das Wort „Entnazifizierung“ - ein Begriff, den auch die russische Führung als Rechtfertigung für den Angriff auf die Ukraine ins Treffen führt. Vucic betonte Sonntagabend in einer Rede im Fernsehen, dass er Frieden wolle, aber sollten Serben „verfolgt, misshandelt, getötet werden, wird Serbien gewinnen“.
Der serbische Menschenrechtsexperte Milan Antonijevic sieht die Spannungen zwischen Belgrad und Pristina offensichtlich etwas anders. Was man am Sonntag als Äußerungen sah, die zur weiteren Eskalation führen könnten, sei nicht an die Menschen in Serbien gerichtet worden, sondern habe eine beruhigende Wirkung auf die Serben im Kosovo gehabt und sollte diesen signalisieren, dass sie in Sicherheit bleiben würden, meinte er im TV-Sender N1. Wohl auch eine ungewöhnliche Interpretation.
Pristina blockiert Gemeinschaft serbischer Gemeinden
In den seit 2011 laufenden, von der EU vermittelten Normalisierungsgesprächen zwischen Belgrad und Pristina hatten die beiden Seiten 2013 die Bildung einer Gemeinschaft der serbischen Gemeinden vereinbart, die der serbischen Minderheit im Nordkosovo mehr Autonomie ermöglichen soll. Das kosovarische Verfassungsgericht stellte zwei Jahre später allerdings fest, dass die Gemeinschaft nicht mit der Verfassung des jüngsten Staates Europas konform wäre. Bis heute wurde sie daher trotz wiederholter Forderungen der serbischen Regierung nicht umgesetzt. Pristina sieht in der Gemeinschaft eine Gefahr für die anhaltende Einmischung Belgrads in den Norden des Landes und damit für die Destabilisierung des Kosovo. Diese Blockadehaltung spielt natürlich auch in die Hände von serbischen Nationalisten, die das als Unterdrückung der Serben im Kosovo sehen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.