Österreichische Musik gehört gehört, das ist längst kein Geheimnis mehr. Im Halbjahr eins nach der langen Seuchenperiode haben sich wieder zahlreiche Künstlerinnen und Künstler aus heimischen Gefilden zu kreativen Höchstleistungen hochgeschwungen und überzeugen mit grandioser Musik. Zwei Beispiele dafür sind der Nino aus Wien und Ernst Molden samt bunt zusammengewürfelter Entourage, die mitunter zwei der besten einheimischen Alben des Jahres kreierten.
Kinder, wie die Zeit vergeht. Corona sei Dank scheint es fast wie gestern, als der Nino aus Wien, Österreichs feinsinnigster Beisl-Poet, mit dem grandiosen „Ocker Mond“ aufwartete und fast so intim und zart klang wie nie zuvor. In der allgemeinen Aufbruchstimmung hatte Nino Mandl jetzt aber wieder verstärkt Lust auf die größere Geste und hat für sein vor wenigen Wochen erschienenes Werk „Eis Zeit“ musikalische Spielgefährten zusammengetrommelt, um sich wieder im Bandkontext zu entfalten. Seit seinem MySpace-Durchbruch mit „Du Oasch“ und der Gegenwart ist freilich viel Zeit vergangen und der 35-Jährige bewegt sich schon lange geschickt durch die heimische Musikwelt. Mit seinen ehrlichen und ungeschönten Betrachtungen steht er stets mit beiden Beinen fest im Wiener Leben und entfernt sich bewusst vom schimmernden Glanz Bilderbuchs oder der großen Geste Wandas.
Reise ins Café Bauchstich
Mandl ist die personifizierte Vertonung von „Liebesg’schichten und Heiratssachen“, wenn er sich wieder einmal trist, aber grundehrlich durch die Tücken der Liebe und Zwischenmenschlichkeit bewegt. „Katzen und Palmen“ braucht er zum Glücklichsein, mehr wäre gar nicht nötig. Er kennt die Sorgen und Nöte der Menschen an einem „Montag“, erklärt uns „Was passiert ist“ und holt seine Beatles-Referenzen im „Strawberry Dream“ hervor. Zwischen Indie-Pop und Singer/Songwritertum passt beim Nino kein Blatt Papier und niemand kann sich so gut in Gürtellokale wie das Rhiz zurücksehnen („Sandy“) oder das unvermeidliche Ende mit Western-Feeling herbeisehnen („Olles hot sei End“). Wie für eh alle Nino-Alben gilt auch für „Eis Zeit“: kaufen, in den Plattenspieler legen, zurücklehnen, anhören und sich gedanklich ins Café Bauchstich entführen lassen. Die Mischung aus Melancholie und doppelbödiger Lebensfreude gelingt sonst niemandem auf so feinfühlige Art und Weise.
Ein ganz besonderes Konzept hat der Wiener Vielarbeiter Ernst Molden für sein brandneues Werk aufgegriffen. Gemeinsam mit Schauspielerin und Sängerin Ursula Strauss und dem Südtiroler Harmonikaspieler Herbert Pixner verpackt er legendäre Sagen und Mythen ins Wienerische und transferiert sie dadurch in die Gegenwart. Das Ergebnis hört auf den Namen „Oame Söö“ und ist zweifellos eines der eigenwilligsten Highlights des heimischen Musikjahres. So hantelt sich Molden vom Rosengarten des König Laurin über gefährlichen Basilisken in Wien und Herodes hin zu den „Geisda“, die einen unweigerlich verfolgen. Molden schafft es kongenial, dass die Sagen nicht nur ihre Örtlichkeit, sondern auch ihre belehrende Sprache verlieren und somit inkludierend und universell wirken.
Besonderes Sprachbild
Das geschieht zumeist mit feinsinnigem Liedgut, bei dem Stimme und Gitarre im Vordergrund stehen, während die Harmonika sich oft wunderbar in das Gesamtbild einfügt. Für den nötigen Punch sorgt Schlagzeugerin Maria Petrova und „Teufelsgitarrist“ Manuel Randi verleiht dem bunten Treiben eine zusätzliche Würze. Den Songs ist gemein, dass sie alle Lokalkolorit aufweisen und von Wiener Sagen bzw. jenen aus dem Umland erzählen. Das besondere Sprachbild Moldens wird von sehr viel Atmosphäre und der Liebe zum klanglichen Detail verstärkt. Anfang 2023 darf man das wunderbare Album quer durch Österreich auch live hören. So es die Pandemie zulässt.
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