Der Wirbel um den tragischen Tod der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr ebbt nicht ab. Nachdem immer mehr Kritik am Verhalten der Polizei laut wurde, schaltet sich nach Kanzler Karl Nehammer nun auch Innenminister Gerhard Karner in die Debatte ein - und zwar anhand eines Briefes, der am Donnerstag per E-Mail an 38.000 Exekutivbeamte geschickt wurde. Karner fordert darin, die Urheber der Drohbotschaften auszuforschen. Ein „Schlechtreden“ der Polizei erklärte er aber für unzulässig.
Knapp eine Woche ist vergangen, seit die oberösterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr tot in ihrer Praxis aufgefunden wurde. Seither ist eine breite politische Debatte um schutzbedürftige Menschen entstanden, insbesondere die oberösterreichische Polizei muss viel Kritik einstecken - sie soll Hinweisen auf Drohnachrichten gegen die Ärztin, die sich offenbar aus Angst das Leben nahm, nicht ausreichend nachgegangen sein.
Das ÖVP-geführte Innenministerium pochte bisher darauf, dass die zuständigen Beamten alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hätten, doch auch der grüne Regierungspartner ließ nicht locker. „Wir haben hier den Eindruck, dass die Polizei in Oberösterreich weder die Bereitschaft noch die Kompetenz hatte, diese Straftat zu verfolgen“, kritisierte zuletzt Klubchefin Sigrid Maurer öffentlichkeitswirksam in der „ZiB 2“ des ORF.
Auch der Bundeskanzler (und ehemalige Innenminister) schaltete sich inzwischen ein und erklärte bei krone.tv: „Wir müssten nicht nur darüber diskutieren, dass wir im Umgang miteinander sorgsamer vorgehen und auch wieder im Diskurs andere Meinungen zulassen (...). Ja, wir müssen den Hass ernst nehmen und bekämpfen!“
„Ureigenste Aufgabe von Polizei und Justiz“
Nun legt auch sein Innenminister nach. In einem internen Schreiben, das der „Krone“ vorliegt, bezeichnet Gerhard Karner den Fall Lisa-Maria Kellermayr als „entsetzlich und erschütternd“. „Selbstverständlich“, so der Minister, müsse „auch weiterhin alles darangesetzt werden, die Urheber der Drohbotschaften auszuforschen, um damit volle Aufklärung zu erreichen. Das ist die ureigenste Aufgabe von Polizei und Justiz, die sie tagtäglich mit vollem Einsatz erfüllen.“
„Reflexartiges Schlechtreden der Polizei“
Der Minister spart in seiner Nachricht allerdings auch nicht mit Kritik an den Kritikern und nimmt seine Behörde deutlich in Schutz: „Eine Empörung jagt die nächste und Menschen werden, vor allem in den sogenannten ,sozialen‘ Medien, an den Pranger gestellt (...). Ein reflexartiges und generelles Schlechtreden (...) der Polizeiarbeit in unserem Land ist jedoch völlig unangebracht und unzulässig. Sie können sich darauf verlassen, dass ich das als Innenminister nicht zulasse. Und Sie können sich vor allem des Vertrauens der Menschen in unserem Land gewiss sein.“
Der ganze Minister-Brief an die Polizei im Wortlaut (zum Vergrößern klicken bzw. tippen):
Verfolgung soll erleichtert werden
Der tragische Fall Kellermayr hat jedenfalls Schwächen im System sichtbar gemacht. Dabei liegt das überaus heikle Thema seit Jahren auf dem Tisch. Anfang 2021 wurde ein Maßnahmenpaket gegen „Hass im Netz“ geschnürt. Seitdem können bei den Bezirksgerichten Löschungen von Hass-Nachrichten beantragt und bei den Landesgerichten Verfahren gegen die mutmaßlichen Täter eingeleitet werden. Deren Verfolgung bringt die Ermittler allerdings immer wieder an ihre Grenzen - noch dazu wenn Drohungen, wie im aktuellen Fall, vorwiegend aus dem Ausland erfolgen.
Der Justiz könnte demnächst aber ein wirksames Werkzeug in die Hand gegeben werden: Durch die sogenannte E-Evidence-Verordnung soll die Ausforschung von Tatverdächtigen erleichtert und es Staatsanwaltschaften ermöglicht werden, direkt bei Dienstanbietern Auskünfte einzuholen, ohne den Umweg über ausländische Behörden gehen zu müssen - das würde auch die Ermittlungen im Fall Lisa-Maria Kellermayr beschleunigen.
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