Salzburgs Landeschef Wilfried Haslauer stellt sich hinter Kanzler Nehammer, will aber, dass sich die ÖVP neue moralische Regeln gibt. Er fordert auch eine Vier-Tage-Woche.
Neben Niederösterreich und Kärnten wählt auch Salzburg Anfang 2023 einen neuen Landtag. Wilfried Haslauer (ÖVP) ist seit Juni 2013 Landeshauptmann. Ein Wahlkampf in einer schweren Situation. Haslauer über Nehammer, Vertrauensverlust, Corona-Management und Arbeitskräftemangel.
„Krone“: Beim Vertrauensindex liegt die Regierung an letzter Stelle - hinter der Wirtschaftskammer, Finanzmarktaufsicht, Parlament, Versicherung. Wer hat Schuld daran? Die bösen Medien, die WKStA oder vielleicht doch die ÖVP?
Wilfried Haslauer: Es ist ein genereller Vertrauensverlust. Interessenvertretungen, Kirche und Parteien sind genauso betroffen. Wir sind auf dem Weg in eine Zwei-Drittel-Gesellschaft. Zwei Drittel tragen unser System noch mit, ein Drittel interessiert es schlicht und einfach nicht mehr. Oder sie machen ihre eigenen Welterklärungsversuche. Die Pandemie hat das Ihrige bewirkt. Diese Leute sind für die klassischen Medien auch kaum mehr erreichbar. Es ist eine große politische und gesellschaftliche Aufgabe, wieder stärker den Anker ins Fundament hineinzubringen.
Dieses eine unerreichbare Drittel scheint auch eine Rolle beim Suizid der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr gespielt zu haben. Keine Institution wie Polizei oder Ärztekammer konnte Kellermayr helfen, dass der Hass im Netz und die Drohungen enden. Was muss sich da ändern?
Der Suizid von Dr. Kellermayr hat mich wirklich tief getroffen. Hassrede unter dem Schutzmantel der Anonymität des Internets ist eine besorgniserregende Entwicklung, die ich auf das Schärfste verurteile. Juristisch haben wir in Österreich zum Thema Hass im Netz bereits in der Vergangenheit Fortschritte gemacht. Auf diesem Standard müssen wir in Zukunft aufbauen und die Menschen dazu weiter sensibilisieren.
Kommen wir zu Corona: Für das Spitalspersonal kann, aber muss die Quarantäne nicht aufgehoben werden. Salzburg wird infiziertes Personal, das keine Symptome hat, im Spital einsetzen. Ärztekammer-Vizepräsident Harald Mayer meinte, das grenzt an Körperverletzung. Läuft man nicht sehenden Auges in ein Risiko hinein?
Ich habe die Äußerung des Ärztekammer-Vizepräsidenten als überzogen empfunden. In Salzburg arbeitet das Personal, das nicht krank, aber infiziert ist, mit Maske in der Verwaltung - nicht aber am Patienten. In der Verwaltung hat man überhaupt keinen Kontakt mit Patienten.
Die infizierte Sekretärin kann doch auch mit einem Arzt reden.
Ja, aber sie muss Maske tragen. Das ist ein probater Schutz.
Sie haben also keinerlei Bauchweh?
Das Spital selbst hat das größtmögliche Interesse, sicher zu sein.
Der berühmte Satz von Ihnen: „Die Virologen würden uns am liebsten einsperren“ - wie schauen Sie auf den Satz zurück, das ist gut ein Dreivierteljahr her …
Der Satz war unangemessen in der Situation. Er hatte aber eine Vorgeschichte. Davor habe ich damals extra gesagt: „Ich übertreibe jetzt“, um das Dilemma der Politik herauszuarbeiten. Es tut mir leid, es war ungeschickt. Es war eine extrem aufgeheizte Situation. Sie wissen, ein unbedachter Satz in der richtigen Zeit zur richtigen Stunde kann dann wie eine Granate explodieren.
Durch diesen Satz hatten Sie einen enormen Imageverlust. Davor galten sie als Elder Statesman und wurden als Kurz-Nachfolger und möglicher Bundeskanzler gehandelt. Danach hat man sich nur gewundert, wie Sie als Elder Stateman gelten konnten ...
Das hat dann wenigstens die Auswirkung gehabt, dass dieser Kelch an mir vorbeigegangen ist (lacht).
Karl Nehammer hat mein volles Vertrauen, ich sehe keine Obmanndebatte.
Wilfried Haslauer will Ablösegerüchte zerstreuen.
Es ist offenbar wirklich ein Kelch. Kanzler Karl Nehammer ist seit dem Wochenende mit Ablösegerüchten konfrontiert. Die ÖVP liegt bei rund 20 Prozent. Wie lange schauen die Landeshauptleute da noch zu?
Wir sind in einer Situation, die wir vor Kurz hatten, auf diese sind wir jetzt wieder zurückgeworfen worden. Das ist nicht erfreulich. Ich gehe aber davon aus, dass man noch Terrain gutmachen kann. Karl Nehammer hat mein volles Vertrauen, ich sehe keine Obmanndebatte.
Ärgert es Sie nicht, dass Nehammer nicht zu den Festspielen gekommen ist?
Nein, eigentlich ist der Bundeskanzler fast nie gekommen. Der Kanzler hat ja keine aktive Rolle, hält ja keine Rede. Es hätte mich gefreut, wenn Nehammer gekommen wäre, aber es ist auch kein Beinbruch, wenn er nicht kommt.
Nehammer wird von vielen Kommentatoren vorgeworfen, dass man sein politisches Konzept nicht kennt. Wofür steht Karl Nehammer als Kanzler?
Man darf nicht übersehen, dass er die ÖVP in einer sehr krisenhaften Situation übernommen hat. Seine erste Aufgabe ist Stabilisierung. Er hat eine sanfte Korrektur durchgeführt. Von diesem eher Mitte-Rechts-Kurs eher Mitte-Mitte-Rechts - also eine sanfte Korrektur. Das ist der richtige Weg.
Die ÖVP hatte einige Skandale, die immerhin zum Rücktritt von Sebastian Kurz führten. Müsste Karl Nehammer nicht für mehr Transparenz sorgen und mit dem Thema ÖVP und Korruption ausräumen?
Ich glaube, man muss unterscheiden. Eine Anzeige ist noch keine Verurteilung, wird aber, wenn sie öffentlich gemacht wird, praktisch zu einer Verurteilung. Es wurde eine Reihe von Verfahren eingestellt. Ich schließe nicht aus, dass es in dem einen oder anderen Fall zu strafrechtlichen Konsequenzen kommen wird. Das ist sehr bedauerlich, es gehört auch aufgeräumt. Das ist gar keine Frage. Das eine ist: Was ist legal und was ist illegal? Das Zweite ist: Was ist legal und was tut man trotzdem nicht? Da glaube ich, ist es nicht schlecht, wenn wir unsere Positionen einmal überdenken.
Das heißt, Sie sind für neue Compliance-Regeln für die ÖVP?
Wissen Sie, das ist so eine Sache mit den Regeln. Ich glaube, man muss die Sensibilität schärfen - im Umgang mit Institutionen, im Umgang mit der Macht. Und auch im Umgang mit der Möglichkeit, gesetzliche Dinge auszunützen.
Kommen wir zur Teuerung: Niederösterreich und Kärnten haben schon viele Anti-Teuerungs-Maßnahmen gesetzt. Wann kommt Salzburg in die Gänge? Da hört man wenig?
Wir sind da schon längst tätig geworden. Zwölf Millionen Euro, also die gesamte Dividende aus der Salzburg AG, haben wir in Unterstützung der Wohnbeihilfe investiert, wir nehmen viel Geld in die Hand für die Tarifstützung im öffentlichen Verkehr. Sie müssen sehen: Eine Jahreskarte hat früher rund 1400 Euro gekostet, jetzt kostet sie 365 Euro. Das ist ja auch echte Ersparnis. Und was die Energiepreisstützung betrifft: Es ist wichtig, dass die Maßnahmen gut aufeinander abgestimmt sind. Aus dem Sommerministerrat ist herausgekommen: Es kommt die Strompreisbremse. Die Energieversorger müssen da noch etwas draufsetzen - ohne Frage. Aber wir warten auf das Modell vom Bund.
In einem Tourismusland wie Salzburg ist der Personalmangel ein Dauerbrenner. Die Baby-Boomer-Generation geht jetzt in Pension, wie will man die Lücke füllen?
Die Gründe für diese Situation sind sehr unterschiedlich. Da gibt es den demografischen Wandel, kombiniert mit der Tatsache, dass aus unseren Hauptherkunftsländern Kroatien, Ungarn, Slowakei die Leute nicht mehr kommen. Weil das Preisgefälle nicht mehr so stark ist. Da zahlt es sich für sie nicht mehr aus, zu uns zu kommen. Zusätzlich kommen sehr lange Ausbildungszeiten. Dann kommt ein gesellschaftliches Phänomen dazu - ich bin noch ein Kind der Nachkriegsgeneration, mit klarem Fokus auf Arbeit und Arbeitsintensität, das ist bei vielen Leuten heute nicht mehr der Fall. Da werden wir uns einstellen müssen, dass es Arbeitszeitmodelle mit Vier-Tage-Woche geben muss. Wo man etwa zehn Stunden von Montag bis Donnerstag arbeitet. Da muss man wahrscheinlich mit Überstundenregelungen andere Wege gehen. Und der Freitag ist dann frei. Nur geht das nicht in allen Branchen, das ist auch klar. Und: Wir müssen schauen, dass wir die Arbeitskräfte, die wir brauchen, aus dem Ausland auch wirklich gezielt herbekommen.
Großes Thema bei den Eröffnungsreden der Salzburger Festspiele war der Ukraine-Krieg, der Zusammenhalt Europas. Ihr Parteikollege Harald Mahrer hat vor ein paar Wochen ein Interview gegeben, in dem er gesagt hat, die Sanktionen hat die EU falsch aufgesetzt. Die EU hätte nicht vorgesorgt. Auch Orban hat die Sanktionen verurteilt. Bricht da Europa auseinander?
Ich unterstütze die klare Positionierung des Bundespräsidenten, die er auch in seiner Festspielrede gegeben hat. Es war eine wirkliche klare Positionierung. Die Sanktionen schaden uns mehr, als ursprünglich angenommen wurde, das muss man ganz klar sagen. Das sind auch für uns Opfer. Aber wenn die Analyse ist, dass Putin einfach keinen Frieden will, sondern seine aggressive Politik fortsetzt, dann hat es auch keinen Sinn, mit ihm Geschäfte zu machen, denn er wird davon nicht ablassen. Das ist die Situation.
Bei den letzten Landtagswahlen kam die ÖVP in Salzburg auf 37,7 Prozent. Wilfried Haslauer (66) machte damals ein Plus von 8,77 Prozent. Dieses Ergebnis im Frühjahr 2023 zu halten, wird eine schwere Mission. Zu sehr ist die ÖVP derzeit im Eck. Die Probleme in Salzburg sind - vor allem in der Stadt - die horrenden Quadratmeterpreise für Eigentum. Und dann wird die Frage sein: Spielen die Fehler des Landeshauptmanns Haslauer im Pandemie-Management während der Delta-Welle im Frühjahr 2023 noch eine Rolle?
Man nimmt ein Bröckeln wahr unter der Bevölkerung. Was sagen Sie Leuten dazu, dass die Sanktionen noch nicht so richtig greifen?
Das ist eine ganz schwierige Frage. Klinkt man sich einfach aus, dann gibt es da einen Ostteil und einen Westteil in Europa. Und sagt dann: Das, was da drüben passiert, ist uns völlig egal. Und wir machen unsere Geschäfte? Schauen Sie sich bitte einmal die Krisen der letzten 50 Jahre an. Ich möchte gar nicht den Zweiten Weltkrieg bemühen. Vietnamkrieg, zwei Irakkriege, vier Nahostkriege, drei Balkankriege in acht Jahren, Vertriebene, Flüchtlingskriege, Pandemien, Hochwasser, Vermurungen, Lehman Brothers, Finanzkrisen Irland, Portugal, Griechenland vor der Pleite. Unterm Strich haben wir alles bewältigt, sind stärker hervorgekommen als zuvor. Und ich frage mich: Wieso ist ein solches Weltuntergangsgefühl da? Wo ist die Tatkraft und die Überzeugung, das Selbstbewusstsein: Wir gehen da jetzt gestärkt heraus aus dem Ganzen? Da muss man halt ein paar Dinge machen. Zum Beispiel haben wir jetzt die Chance, massiv in erneuerbare Energien zu investieren. Da müssen die Verfahren beschleunigt werden. Wir haben da ein Kraftwerksprojekt, da sind wir im zehnten Verfahrensjahr. So wird es nicht funktionieren. Und: Ich glaube, dass wir in diesen Dingen mehr Entschiedenheit aufsetzen sollen.
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