Abfackeln vor Finnland
Gazprom verbrennt Gas, statt es der EU zu liefern
Der russische Gaskonzern Gazprom hat die Gaslieferungen an mehrere europäische Länder gestoppt, für die verbliebenen Kunden wurden die Lieferungen zuletzt stark gedrosselt. Gazprom erklärt das mit „höherer Gewalt“, aus Sicht der EU gibt es keinen vernünftigen Grund, an den reduzierten Liefermengen festzuhalten. Der russische Staatskonzern fackelt aber offenbar überschüssiges Erdgas im industriellen Maßstab ab, anstatt es per Pipeline nach Europa zu liefern.
Seit eineinhalb Monaten brennt eine riesige Fackel in der Nähe der Verdichterstation Portowaja an der russisch-finnischen Grenze, berichtete der finnische Sender Yle unter Berufung auf Augenzeugen und NASA-Daten. Erstmals erschien die Rauchfahne am 17. Juni, drei Tage nachdem der Durchfluss durch die Pipeline um 40 Prozent und dann um ein weiteres Drittel reduziert worden war.
Fackel brennt seit eineinhalb Monaten durchgehend
Laut Yle brennt die Fackel am Finnischen Meerbusen seither jeden Tag, weitere Sichtungen von Bränden in der Nähe der Station gab es nicht. Das spricht für das Abfackeln - das kontrollierte Vernichten durch Verbrennen - von Erdgas. Der Grund dafür ist unklar: Eine solche Abfackelung wird sonst eingesetzt, wenn ein Weitertransport des Gases technisch nicht möglich oder wirtschaftlich uninteressant ist. Es könnten tatsächlich technische Probleme oder eine Störung die Ursache dafür sein. Aus europäischer Sicht fehlen aber gute Gründe für das Abfackeln von russischem Gas vor der Grenze Finnlands.
Gazprom pumpt aktuell nur noch 20 Prozent seiner Kapazität durch die Nord-Stream-Pipeline. Das wird weiterhin mit dem Fehlen jener berüchtigten Turbine begründet, die in Kanada repariert wurde und jetzt in Deutschland zwischengelagert ist. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte zuletzt, dass die Pipeline „erhebliche Kapazitäten“ habe. Somit gebe es keinen Mangel an Möglichkeiten, alle Verträge, die Russland für ganz Europa geschlossen habe, zu erfüllen.
Fehlen weiter Dokumente?
Der Kreml bekräftigte am Mittwoch erneut seine Sicht der Dinge: Demnach wurden wichtige Dokumente und Informationen zur Reparatur nicht übermittelt. Der verantwortliche Energietechnik-Konzern Siemens Energy mit Sitz im deutschen Mühlheim, wo die Turbine derzeit zwischengelagert ist, weist diese Vorwürfe zurück.
Geliefert werden soll sie dorthin, wo jetzt das Gas verbrannt wird: zur Verdichterstation Portowaja als einem zentralen Punkt für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Hier treiben solche Turbinen Kompressoren an, die den für den Gastransport durch die Leitung nötigen Druck aufbauen.
Russland ist auf Exporte angewiesen
Gazprom liefert aktuell die geringsten Gasmengen in der Geschichte an Europa, wie eine Analyse von Wirtschaftswissenschaftlern der Universität Yale feststellt. Die EU fürchtet einen Gas-Stopp, eine schwere Rezession wäre die Folge. Russland setzt Gas als Teil seiner Kriegsstrategie ein, könnte sich damit aber ins eigene Fleisch schneiden: Laut den Yale-Ökonomen beträgt der Anteil von russischem Erdgas am europäischen Markt insgesamt nur 35 Prozent. Russland hingegen verkauft 83 Prozent seiner Gasexporte nach Europa.
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