Mit den geopolitischen Spannungen rund um Taiwan steigen auch die Sorgen, dass sich der weltweite Halbleitermangel verstärken könnte. Der Inselstaat nimmt durch den Hersteller TSMC eine zentrale Rolle in der globalen Chip-Industrie ein. „Taiwan ist durch TSMC das mit Abstand wichtigste Land für sogenannte Cutting-Edge-Chips, also die modernsten Halbleiter, die es aktuell auf dem globalen Markt gibt“, sagte Julia Hess, Expertin des Think-Tanks „Stiftung Neue Verantwortung“.
Den Marktanteil Taiwans in diesem Bereich beziffert Hess mit 90 Prozent. Die modernen Halbleiterprodukte werden beispielsweise in Mobiltelefonen und Rechnern, aber auch im Bereich der künstlichen Intelligenz oder des autonomen Fahrens gebraucht, so die Expertin im Bereich „Technologie und Geopolitik“ bei der deutschen Stiftung. Darüber hinaus produziere Taiwan aber auch größere Chips, wie sie zum Beispiel in der Automobilbranche oder in der Industrie verwendet werden. Nimmt man alle Halbleiter-Kategorien zusammen, produziere Taiwan jeden zweiten Chip auf der Welt.
Ausfall wäre nur schwer zu kompensieren
Sollte es zu einer Blockade Taiwans durch China kommen oder die Lieferketten zumindest gestört werden, wäre es besonders im Cutting-Edge-Bereich sehr schwer, den Ausfall auszugleichen. Nachdem sich der Markt bei den modernsten Chips stark konsolidiert habe in den letzten Jahren, gäbe es neben TSMC mit Samsung mittlerweile nur noch einen einzigen Konkurrenten, sagt Hess. Die Südkoreaner würden im Gegensatz zu TSMC aber vor allem eigene Chips produzieren und es stünden somit kaum Kapazitäten für eine Auftragsfertigung zur Verfügung.
Etwas besser schaue es bei Halbleitern aus, die in der Automobilbranche oder bei Industrieanwendungen zum Einsatz kommen. Hier gebe es in Europa und den USA durchaus Produzenten, die mögliche Engpässe ausgleichen könnten. „Man würde es nichtsdestotrotz merken, wie wir es bereits bei den Knappheiten 2020 gesehen haben“, warnte die Halbleiter-Expertin.
Wechselseitige Abhängigkeiten
Eine schnelle Lösung für das Problem gebe es nicht. „Ein Kapazitätsausbau braucht mehrere Jahre“, so Hess. Zudem gebe es oft wechselseitige Abhängigkeiten: So sei die taiwanesische Chipindustrie ihrerseits für Ausrüstung und Chemikalien von Europa und Japan und für Software von den USA abhängig.
Dazu kommt, dass nur ein Teil der Halbleiter standardisiert sei. Viele Chips würden speziell für einen Kunden oder ein Endprodukt hergestellt, was eine Aufteilung auf mehrere Chiphersteller oder eine Lagerung erschwere.
Viele Spezialisten, kaum noch Generalisten
Die Spezialisierung und Monopolisierung haben in den letzten Jahren laut Hess immer mehr zugenommen. Es gebe immer weniger Chiphersteller, die wie Samsung oder Intel vom Design über die Produktion bis zur Vermarktung der Chips alle Bereiche übernehmen (sogenannte Integrated Device Manufacturers, IDMs), „weil die Unternehmen eben gemerkt haben, dass wenn sie mit diesem Innovationsdruck mithalten wollen und irgendwie ökonomisch dabei bleiben wollen, dass es dann nur sinnvoll ist sich auf eine Art Maschine, auf einen Produktionsschritt zu konzentrieren“, so Hess.
Infineon beobachtet geopolitische Spannungen mit „großer Sorge“
Vom dem auch in Österreich aktiven deutschen Chipkonzern Infineon hieß es, dass das Unternehmen 70 Prozent seiner Produkte selbst fertige. „Andere Produkte lagern wir weltweit an verschiedene Auftragsfertiger aus“ - mit welchen Auftragsfertigern man zusammenarbeitet, wollte Infineon aber nicht sagen. Die zunehmenden geopolitischen Spannungen sehe man „grundsätzlich mit großer Sorge“, so Infineon in einem Statement.
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