AKW bombardiert
Ukraine warnt vor Atomunfall „wie Tschernobyl“
Angesichts der weiter angespannten Lage im Atomkraftwerk Saporischschja im Osten der Ukraine wächst die Sorge vor einer Nuklearkatastrophe. Der Ständige Vertreter der Ukraine bei den internationalen Organisationen in Wien, Jewhenij Zymbaljuk, sagte am Montag in einer Pressekonferenz, dass es bereits in und um das Kraftwerk zu massiven Zerstörungen gekommen sei. „Ein nuklearer Zwischenfall im AKW Saporischschja wäre vergleichbar mit Tschernobyl oder Fukushima“, warnte er. Am Montagabend gab Russland schließlich an, man sei „offen“ für eine Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA).
Zymbaljuk sagte, seit dem 5. August sei es vermehrt zu Explosionen rund um das AKW gekommen, in der Region sei die Energieversorgung weitgehend zusammengebrochen. Der Oblast Saporischschja ist mittlerweile von russischen Truppen besetzt, in dem Kraftwerk würden zwar weiter ukrainische Techniker arbeiten, die allerdings „Folter und Repressalien“ ausgesetzt sind, so der Diplomat.
„Hunderte Krater“ rund um Kraftwerk
Durch den andauernden Beschuss sei unter anderem ein Lager mit atomaren Brennstoffen gefährdet gewesen, rund um das Kraftwerk gebe es „Hunderte Krater“, die Schaltzentrale sei ebenfalls beschädigt. Man habe allerdings keine Möglichkeit, zu überprüfen, was konkret zerstört wurde, denn die Kontrolle über das Kraftwerk habe mittlerweile die russische Atomenergiebehörde Rosatom.
Darstellungen russischer Seite, die Ukraine habe selbst Kraftwerke beschossen, wies der Diplomat als „zynisch“ zurück. Das Ziel Russlands sei, so Zymbaljuk, die Energieversorgung der Ukraine zu zerstören, beziehungsweise „Elektrizität in die Gebiete der Russischen Föderation umzuleiten und damit zu stehlen“. Der Diplomat forderte einmal mehr massive Sanktionen gegen Rosatom und sprach von „russischem Nuklear-Terror“.
Experte zur „Krone“: „Katastrophe immer wahrscheinlicher“
Der mit Aktivisten aus der Region bestens vernetzte Global-2000-Experte Reinhard Uhrig warnte gegenüber der „Krone“ vor einer nuklearen Katastrophe, die von Minute zu Minute wahrscheinlicher wird. Riesige Flächen könnten radioaktiv verseucht werden. „Eine Kernschmelze wie im japanischen AKW Fukushima ist nur eines der verheerenden Szenarien. Je nach Windrichtung wären Hunderte Quadratkilometer betroffen.“ Die UNO selbst spricht von einem Wunder, dass dieses Worst-Case-Szenario noch nicht eingetreten ist: „Ein Funke genügt jetzt.“
Kiew hatte bereits vor einigen Tagen gefordert, eine entmilitarisierte Zone rund um das AKW einzurichten. Zymbaljuko sagte am Montag, man werde einer Friedensmission unter UN-Mandat natürlich zustimmen. So bald wie möglich - spätestens bis Ende des Monats - sollen Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu einem Einsatz im AKW Saporischschja aufbrechen. Aktuell sei dies allerdings durch die ständigen Bombardierungen unmöglich.
AKW essenziell für Versorgung der Ukraine
Auch der Chef der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA), Rafael Grossi, hatte bereits vor dem Risiko einer atomaren Katastrophe gewarnt. Das AKW Saporischschja ist seit 1985 in Betrieb und seit dem Atomunfall in Tschernobyl essenziell für die Energieversorgung der Ukraine. Fast der gesamte Süden des Landes wird von Saporischschja versorgt.
Lesen Sie auch:
Am Montagabend lenkte Russland schließlich ein. Das Außenministerium in Moskau erklärte, IAEA-Inspekteure sollten das Kraftwerk untersuchen. Der Ukraine warf Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa vor, ganz Europa als Geisel zu nehmen. Die Regierung in Kiew verhindere eine internationale Inspektion des Kraftwerks und sei für den Beschuss verantwortlich, hieß es.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.