Ruf nach Vergeltung

Nach Autobombe: Terror erreicht Moskaus Propaganda

Ausland
21.08.2022 16:22

Nach dem Tod von „Kriegspropagandistin“ Darja Dugina durch eine Autobombe wächst die Unruhe in Moskau - hat der Krieg gegen die Ukraine nun doch auch unmittelbare Konsequenzen für Russland. Die russische Staatspropaganda ist bereits bemüht, das Attentat „ukrainischen Terroristen“ anzulasten. Der Anschlag hätte demnach Duginas Vater Alexander treffen sollen - der rechtsnationale Ideologe soll schon oft als Putins Ideenstifter gedient haben.

Dugina galt wie ihr Vater als Verfechterin des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Das Fahrzeug mit der 29-Jährigen am Steuer ging am Samstagabend in der Nähe von Moskau nach der Explosion einer Autobombe in Flammen auf. Von ihr ist etwa der Satz überliefert, dass Ukrainer „Unmenschen“ seien.

Ihre Einstellung kommt dabei offenbar nicht von Ungefähr. Ihr Vater, der auch als „Rasputin“ bezeichnet wird, steht etwa auf der US-Sanktionsliste - er wird dort auch als Ideenstifter des von Russlands Präsident Wladimir Putin befohlenen Einmarsches im Nachbarland gesehen. Der 60-Jährige hat, wie Journalisten in Kiew am Sonntag nach der Explosion berichteten, offen zur Tötung von Ukrainern aufgerufen.

Russische Behördenvertreter untersuchen die Überbleibsel des explodierten Autos. (Bild: AP/Investigative Committee of Russia)
Russische Behördenvertreter untersuchen die Überbleibsel des explodierten Autos.
Bilder und Videos, die in den sozialen Medien kursieren, zeigen Alexander Dugins Jeep in Flammen. (Bild: OSINT)
Bilder und Videos, die in den sozialen Medien kursieren, zeigen Alexander Dugins Jeep in Flammen.

Vater war wohl Hauptziel der Bombe
Überzeugt sind jedenfalls viele, dass Alexander Dugin selbst das Ziel des Anschlags war. Russische Medien berichteten, er habe mit seiner Tochter am Samstag das patriotische Festival „Tradition“ besucht. Dugin war dort als Redner angekündigt. Seine Tochter, die ihn begleitete, stellte das Auto auf einem Parkplatz für besonders wichtige Gäste ab. Die Bombe könnte dort eingebaut worden sein.

Eine Videoüberwachung gab es wohl nicht. Medien zufolge hatten Vater und Tochter dann gemeinsam wegfahren wollen. Aber Dugin blieb noch. In den sozialen Netzwerken machten Videos von dem brennenden Autowrack die Runde - und von einem erschütterten Dugin, der am Samstag zum Tatort eilte und, wie auf Fotos zu sehen ist, die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Unter den Propagandisten wurde dabei der Ruf nach Vergeltung laut.

Alexander Dugin gilt unter Beobachtern als „gefährlicher russischer Faschist“. (Bild: Associated Press)
Alexander Dugin gilt unter Beobachtern als „gefährlicher russischer Faschist“.

Propagandisten vermissen militärische Antworten
Immer wieder hat Russland nach dem Beschuss auf seine Grenzregionen Kursk, Belgorod und Brjansk - angeblich von ukrainischer Seite aus - mit Gegenschlägen gedroht. Aber nach fast sechs Monaten Krieg gibt es viele Fragen an die Militärführung Moskaus. Vor allem auch nach den jüngsten Explosionen auf der von Russland 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim wundern sich politische Kommentatoren zunehmend, dass der Kreml nicht schärfer reagiert.

Offenbar schon zuvor Anschlagspläne
Die Explosion einer Autobombe nahe Moskau bringt Russlands Krieg für die Hauptstädter, die das Blutvergießen im Nachbarland weitgehend ausblenden, nun wieder ganz nah. Schon im April soll der wegen seiner Kriegshetze mit Sanktionen belegte Fernsehpropagandist Wladimir Solowjow knapp einem Anschlag entgangen sein. Kreml-Chef Putin persönlich äußerte sich dazu: „Uns sind die Kuratoren der westlichen Geheimdienste namentlich bekannt, eine CIA-Gruppe in erster Linie, die mit den Sicherheitsorganen der Ukraine zusammenarbeitet und augenscheinlich solche Ratschläge gibt“, sagte der Präsident.

Klar ist, dass die Explosion nichts ändert an der Lage in Russland. Aber Beobachter meinten am Sonntag, dass die Schockwelle der Autobombe zumindest die bequeme Welt der Propagandisten, die sich bisher in Sicherheit wähnten, erschüttert. Dass eine in der Öffentlichkeit stehende Befürworterin des Kriegs gegen die Ukraine nun auf russischem Gebiet in der Nähe von Moskau demonstrativ getötet wird, gilt als beispiellos.

„Saboteure“ über Fluchtrouten?
Russlands Inlandsgeheimdienst FSB berichtet fast täglich von Festnahmen mutmaßlicher Terroristen, die im ukrainischen Auftrag Anschläge geplant haben sollen. Immer wieder veröffentlichten die Agenten dazu auch nicht überprüfbare Fotos und Videos von selbst gebauten Sprengsätzen und Geständnissen der Verdächtigen.

Hunderttausende Ukrainer aus dem Kriegsgebiet leben - oft ohne Alternative - inzwischen in Russland. Der Verdacht, dass über die Fluchtwege auch „Saboteure“, wie Moskau sie nennt, einreisen, ist allgegenwärtig. Erst in der vergangenen Woche nahm der FSB einer Mitteilung zufolge nach der massiven Explosion auf der Krim mehrere „Saboteure“ fest.

Ukraine weist Vorwürfe zurück
Von ukrainischer Seite sind die Angriffe jedoch nicht bestätigt. Dort will man auch nichts mit dem Anschlag auf Dugina zu tun haben, wie Präsidentenberater Mychajlo Podoljak betonte. Im Fernsehen meinte er, dass Russland dieser Vorfall auch gelegen kommen könne, um eine Mobilmachung für den Krieg zu rechtfertigen.

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