Album & Interview

Sophia Blenda: Mit der Heiterkeit in der Katharsis

Wien
25.08.2022 06:01

Aus den engen Bandfesseln von Culk befreit sich Sängerin und Poetin Sophie Löw, um nun als Sophia Blenda einen parallel zu den Kollegen laufenden Soloweg einzuschlagen. Mit „Die neue Heiterkeit“ mäandert die 26-Jährige zwischen Soap & Skin, James Blake und Shoegaze-Bands. Trotz der düsteren Grundstimmung bleibt stets genug Raum für Hoffnung und ein Happy End - auch wenn man dafür hart arbeiten muss, wie uns die Künstlerin im „Krone“-Talk verrät.

Was bleibt einem noch von dieser Existenz, wenn die Welt ökonomisch und ökologisch zugrunde geht? Wenn maskuline Machtspiele zu Krieg, grassierende Ignoranz zur Klimakrise und geistige Stagnation zum steten Untergang führen? Sophia Blenda gießt ihren Weltschmerz in Lieder und schafft auf dem Debütalbum „Die neue Heiterkeit“ das seltene Kunststück, einen Spagat zwischen dem Makro- und Mikrokosmos des Daseins zu ergründen. Ihre kammerpopartigen Songs erinnern in der reduzierten, fast schon schüchternen Machart an eine Ménage-à-trois zwischen Soap & Skin, James Blake und der 90er-Shoegaze-Welle. Eine atmosphärisch dichte Gemengelage aus Ängsten, Absenz, Depression, Feminismus, Selbstermächtigung und Dunkelheit. Beim unlängst über die Bühne gegangenen Popfest zeigte sich Blenda mit ihren diffizilen Songs im passenden Rahmen und ließ auch jene erstaunt mit offenem Mund zurück, die sich dem Hype um diese Platte krampfhaft entziehen wollten.

Zeit für Selbstermächtigung
Hinter Blenda steckt bekanntermaßen Sophie Löw, ihres Zeichens 26-jährige Frontfrau, Texterin und Multiinstrumentalistin der Wiener Post-Punk-Band Culk, die mit den beiden Alben „Culk“ und „Zerstreuen über euch“ bereits für freudiges Rauschen im medialen Blätterwald sorgten. Das Soloprojekt Sophia Blenda ist dabei mitnichten ein Absprung von der spannenden Band, sondern ein notwendig gewordener Exkurs in Richtungen, sie sich im kollegialen Kontext eben nicht so einfach einschlagen lassen. „Es hat sehr lange gedauert, bis mit Culk durchgesickert ist, dass ich mehr kann als nur singen“, erzählt uns Löw im „Krone“-Talk, „weibliche und weiblich gelesene Musikerinnen haben noch immer oft das Problem, dass ihnen viel zu wenig zugetraut wird. Ich will aber ernstgenommen werden und zeigen, dass ich auch alles alleine machen kann.“

Der immer noch grassierende Sexismus im Musikbusiness ist Löw nicht fremd. „Wir haben einmal mit Culk bei einem Festival gespielt und da war mit uns Romy von Pauls Jets auf der Bühne. Im Backstagebereich gab es einen Whirlpool und als wir reingingen kam ein Typ von einer anderen Band vorbei und fragte uns, ob wir das Willkommenskomitee seien. Dass Frauen ganz gut auch selbst im Leben klarkommen können, geht noch immer nicht in viele Köpfe von Männern rein.“ Abseits davon ist die heimische Musikszene von Ina Regen über Mira Lu Kovacs und Yasmo bis hin zu Sophia Blenda glücklicherweise mit unheimlich vielen starken Frauen bestückt. Trotz der bunten Themenvielfalt seht die Sängerin ihr Album durchaus als feministisches Statement, auch wenn der Kern des Produkts einerseits die sinistre Atmosphäre des Sounds, andererseits die poetischen, lyrisch gewohnt hochwertigen Texte Blendas sind.

Lyrischer Anspruch
„Texte sind bei mir oft halbfertig und ich streiche dann alles raus, was mir als unnötig erscheint. Durch das bewusste Weglassen bekommen sie eine schöne Mehrdeutigkeit. Die größte Schwierigkeit beim Texten ist, nicht zu plakativ zu werden. Das kann in anderen Genres durchaus cool sein, aber ich habe einen bestimmten lyrischen Anspruch, dem ich gerecht werden möchte. Ich verwende etwa das Nuscheln als Stilmittel, so wie es Rammstein mit ihrer prägnanten und harten Ausdrucksweise machen. In der Kunst kann man viel besser überlegte Sprache einsetzen, der Vieldeutigkeit ist Tür und Tor geöffnet.“ Unverbesserliche Raunzer werden sich am wohldurchdachten Sprachduktus stoßen und die nachdenklichen Texte als Wohlstandsgesülze der weißen Mittelschicht brandmarken, doch Blenda ist eine Beobachterin der Gesellschaft und durch ihre überlegte Phrasierung nicht zuletzt ein Sprachrohr für ihre Generation, die von Zukunftsunsicherheiten, virtuellem Dauerdruck und psychischen Problemen belastet ist.

Die Frage „Wo bleib ich“, die bereits im Opener gestellt wird, ist also nur folgerichtig. „Ich dachte bei diesem Song an Ziele, die man erreichen möchte. Wo man gemeinsam denselben Weg vor sich hat und zusammen auf etwas hinarbeitet. Der Song bezieht sich generell auf marginalisierte Personen, die Hürden überwinden und Umwege beschreiben müssen, um an dasselbe Ziel zu kommen wie Männer.“ „Die neue Heiterkeit“ ist für Blenda eine Konfrontation mit ihren Ängsten und wie sie schlussendlich damit umgeht. „Ich wollte nicht schon mit dem Albumtitel die Abwärtsspirale betreten, auch wenn die Themen dafür durchaus da sind. Freude zu empfinden hat viel mit Selbstverantwortung zu tun. Auch wenn im Leben gerade eine gewisse Schwere da ist, kann man sich immer aktiv darum kümmern, dass man trotz allem heitere Dinge im Leben hat und schätzt. Gemeinschaft und Schwesternschaft sind wichtige Begriffe, die ich in meine Texte einflechten wollte. Diese Schwesternschaft erlebe ich sehr stark im Musikgeschäft. Aus einer Unterdrückung jedweder Form bilden sich immer Gemeinschaften.“

Phasen der Angst
Mit Ängsten und Unsicherheiten hatte Löw während der Pandemie zu kämpfen. Als am 2. November 2020 der furchtbare Terroranschlag Wien in Atemlosigkeit versetzte, war Löw gerade in den Kammerspielen der Josefstadt und sehr nah dran. Polizisten mit Sturmgewehren rückten aus, versuchten dem Chaos Herr zu werden. „Es war bedrückend und schockierend. Zuerst waren wir eingekesselt, dann kam auch noch die Ungewissheit hinzu. Die Angst aller Menschen zu spüren war extrem heftig.“ Nur einen Tag später startete der zweite und längste harte Lockdown. Löw erlebte klaustrophobische Situationen, wusste durch die erzwungene Beengung nicht mehr weiter. „Ich war mit meinem Freund in unserer Wohnung, aber teilweise hat es nicht mehr gereicht, nur die Türen zu schließen. Diese Lockdowns werden noch lange wissenschaftlich analysiert und aufgearbeitet werden. Was sie etwa langfristig psychisch bei Menschen angerichtet haben.“

All diese Sorgen, Ängste und Nöte tunkt die Künstlerin in einen nebulösen Klangstrom, der sich in den Gehörgängen festkrallt und sich mit seiner harschen Authentizität zu einem besonders herben Hörvergnügen entwickelt. Eine wichtige Inspiration war Löw die famose Aldous Harding. „Weniger ihre Musik und ihr Songwriting, es ging mir mehr um die Haltung in der Musik. Das intime Hochlebenlassen mittels einer extrem reduzierten Herangehensweise. Sie macht Intimität zur Stärke und das habe ich mir von ihr abgeschaut.“ Die Verwandlung von negativen Gefühlswelten in lyrische Goldstücke gelingt mit Bravour, der musikalische Minimalismus und die artifizielle Grundintelligenz tragen das Ihre zu diesem gelungenen Produkt bei. Mit „Die neue Heiterkeit“ gelingt Blenda das düsterste und vielleicht auch spannendste österreichische Album des Jahres.

Am 17. September stellt Sophia Blenda das Werk im Wiener Volkstheater vor, am 24. September im Alten Schlachthof in Wels. Im Oktober geht es dann auf Deutschland-Tour, bevor auch Culk wieder in den Fokus rücken und eventuell 2023 etwas Neues veröffentlichen. Alle weiteren Infos und auch Tickets für die Blenda-Shows gibt es unter www.sophiablenda.com.

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