Volkswagen beschwört die Geister der Vergangenheit, um in eine große Zukunft zu fahren. Und das mit dem größten Auto, das auf dem Modularen Elektro-Baukasten MEB aufbaut: dem VW ID.Buzz. Der Ur-ur-ur…ahn des legendären VW-Bus T1 setzt auf viel Platz, viel Kult und sowie einen mittlerweile bewährten, aber verbesserten Elektroantrieb. Er bespielt in der Elektrowelt, was bei Verbrennern und Hybriden die VWs T7 und T6.1 beherrschen.
Es hat schon fast etwas Zwanghaftes, wie sehr sie bei VW versuchen, Parallelen zwischen dem T1 und dem ID.Buzz zu ziehen. Heckantrieb, also Motor und Antrieb hinten, dazu Zweifarblackierung und die leicht V-förmig angedeutete Front mit dem großen VW-Logo, das sind wohl die wesentlichen Gemeinsamkeiten. Aber der ID.Buzz ist tatsächlich optisch etwas Besonderes und immerhin ist er antriebsmäßig näher am T1 als der Beetle am Käfer. VW hat Erfahrung mit der Neuauflage von Klassikern.
Und mit dem Bau von VW-Bussen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sie beim ID.Buzz vieles richtig machen, aber umso erstaunlicher, dass sich im Detail Nachlässigkeiten zeigen. Aber der Reihe nach.
Zwei Versionen
Der VW ID.Buzz ist als „Pro“ genannter Pkw wie auch als „Cargo“ (das ist der Transporter) 4,71 Meter lang und 1,99 Meter breit, je nach Ausstattung messen sie in der Höhe 1,93 bis 1,95 Meter. Der Radstand beträgt 2,99 Meter. In den Kofferraum passen hinter die geteilt verschiebbare zweite Sitzreihe 1121 Liter Gepäck bis zur Sitzoberkante. Klappt man diese um, ergeben sich dachhoch 2205 Liter. Der Cargo fasst 3900 Liter, es passen zwei Europaletten hinein. Die Ladekante ist bei beiden Versionen 63 Zentimeter hoch.
Für den Pro, also den ID-Buzz-Bus, gibt es einen optionalen doppelten Boden, der mit den umgeklappten Rücksitzen eine ebene Fläche ergibt. Die kann man auch als Liegefläche für spontane Übernachtungen verwenden. Als Zubehör gibt es sogar eine einfache Campingausstattung mit Matratze und unter dem Boden herausziehbarem Zweiflammen-Gasherd.
Gute Laune im Innenraum
Man sitzt luftig im Buzz, wobei die große Fläche zwischen den vorn Sitzenden und der Frontscheibe ungewöhnlich groß ist. Gemeinsam mit den Dreiecksseitenscheiben fährt man gefühlt einen riesigen Glaskasten vor sich her. Doch vor allem mit dem poppigen, hellen Interieur des Testwagens macht das wegen des vielen eindringenden Lichts gute Laune. Es ist halt ein anderes VW-Bus-Gefühl, als man es von sämtlichen anderen Modellen kennt.
Der Bildschirm ist stimmiger angebracht, als das in anderen ID-Modellen der Fall ist (geschweige denn im Golf!). Schöne Materialien erfreuen das Auge und die tatschenden Hände, nur unten herum findet sich dann doch wieder hartes Plastik. Das stört vom Charakter her nicht prinzipiell, aber angesichts des Preises dürfte man sich etwas anderes erwarten. Es wird viel Recyclingmaterial eingesetzt, auf Leder verzichtet VW hier ganz.
In der Basis und im Cargo ist die Fröhlichkeit allerdings doch eingeschränkt. Sie ist grundsätzlich schwarz. Wer etwas Höherwertiges haben möchte (auch elektrisch verstellbare bzw. Massagesitze), muss automatisch das helle Interieur nehmen, was bei Familien mit kleinen Kindern wohl eher nicht so gut ankommen wird.
Schweißtreibende zweite Reihe
Unverständlich sind zwei Dinge: In Reihe zwei gibt es keine Ausströmer für die serienmäßige Klimaautomatik. Außerdem sind die Fenster der beiden (ebenfalls serienmäßigen) Schiebetüren nicht zu öffnen. Hier wird es, wenn es sonnig ist, also unangenehm heiß. VW arbeitet bereits an einer Lösung. Einen Grund für das Manko konnte bei der Präsentation niemand nennen.
Wann hört das Touchsliden endlich auf?
Das Bediensystem übernimmt der Buzz von seinen ID-Brüdern. Ist die Menüführung noch ok und nachvollziehbar, hört der Spaß mit den Touchslidern für Lautstärke und Temperatur auf. Diese sind auch im Buzz unbeleuchtet und dadurch nachts nicht gut zu finden. Auch die Touchelemente am Lenkrad bieten gegenüber echten Tasten nur Nachteile.
Gut ist, dass Software und Elektronik mittlerweile gut funktionieren, der Bildschirm reagiert zügig auf alle Eingaben. Lästig war bei der ersten Testfahrt allerdings die Sprachsteuerung, die immer wieder auf Sprache reagierte, ohne angesprochen worden zu sein.
Sehr ansprechend ist auch die Routenplanung mit integrierten Ladestopps, das geht schnell und ist übersichtlich.
Ladeleistung erhöht
Der ID.Buzz kann schneller laden als derzeit noch seine Brüder: Bis zu 170 Kilowatt sind es hier. So soll sich die netto 77 Kilowattstunden fassende Batterie in 30 Minuten von 5 auf 80 Prozent aufladen lassen. An der 11-kW-Wallbox dauert die 0-100%-Ladung 7:30 Stunden.
Als WLTP-Reichweite gibt VW 423 Kilometer für den Bus, 425 km für den Cargo an. Bei der ersten Testfahrt in Dänemark rund um Kopenhagen (nicht über 110 km/h) zeigte der Bordcomputer rund 21 kWh/100 Kilometer an.
Und so fährt sich der ID.Buzz
Der Elektromotor des ID.Buzz leistet 150 kW/204 PS. Damit schafft es der nach DIN 2396 kg schwere Wagen in 10,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und wirkt damit durchaus spritzig. Immerhin steht dauernd ein Drehmoment von 310 Nm zur Verfügung. Bei 145 km/h wird die Beschleunigung beendet, was trotz des relativ günstigen cW-Wertes von 0,285 (Cargo: 0,29) gut für die Reichweite ist.
Das Fahrwerk ist eher dynamisch abgestimmt. Komfortverwöhnte Insassen könnten es als etwas hart empfinden, Fahrer, denen eine gute Verbindung zur Straße wichtig ist, werden ihre Freude haben. Auch die Lenkung ist gelungen und vermittelt durchaus ein gutes Gefühl.
Per Fahrstufenschalter kann man starkes Rekuperieren einstellen (B), sodass man oft auf das Benutzen des Bremspedals verzichten kann. Bis zum Stand bremst der ID.Buzz aber nicht von selbst. Auf D segelt der Buzz, wenn man vom Gas geht: es sei denn, man läuft auf ein anderes Auto auf, dann bremst er entsprechend.
Neues Assistenzssystem
Im ID.Buzz hat VW erstmals einen neuen Parkassistenten integriert (optional). Er speichert eine bis zu 50 Meter lange, mit bis zu 40 km/h gefahrene Strecke samt Richtungswechseln, also vorwärts/rückwärts. Anschließend kann man diese Strecke jederzeit abrufen.
Was er nicht kann, ist das, was wir von BMW kennen, also eine vorwärts gefahrene Strecke selbsttätig zurückzufahren. Diese Funktion soll aber früher oder später nachgereicht werden.
Was noch kommt
Diese beiden VW ID.Buzz sind erst der Anfang. Nächstes Jahr wird eine verlängerte Version eingeführt, die 25 cm mehr Radstand und Außenlänge aufweist. Sie wird auch mit einem größeren Akku (etwa 95 kWh) erhältlich sein. Die Pkw-Version bekommt sieben Sitze. Einen Achtsitzer wird es aus Gewichtsgründen nicht geben.
Später wird auch die Version mit Standardlänge eine dritte Sitzreihe bekommen. Dann stehen sechs Sitzplätze zur Verfügung, denn die Sitzbank in Reihe zwei wird in dem Fall durch zwei Einzelsitze ersetzt.
Hinter vorgehaltener Hand spricht man auch über einen California, also einen elektrisch angetriebenen Campingbus. Der wird nicht vor dem Jahr 2025 erwartet.
Fahrzit
Der VW ID.Buzz wird seinen eigenen Kult kreieren, den T1 braucht er dazu nicht. Allerdings wird er wohl zu keinem Massenphänomen auf den Straßen werden. Die Preisliste beginnt bei rund 67.000 Euro, und da ist noch keine Rede von dem hier gezeigten Gute-Laune-Innenraum oder guter Ausstattung. Wenn die beiden Rücksitz-Mankos ausgemerzt sind, ist der Wagen aber absolut gelungen. Schade, dass er für viele genauso unerschwinglich sein wird wie ein VW T1 Sambabus. Das Preisniveau ist eine weitere Gemeinsamkeit.
Warum?
Guter Style
Angenehmer Innenraum
Gute Software
Ausreichende Reichweite
Warum nicht?
Keine Klimaausströmer hinten
Fenster der Schiebetüren nicht zu öffnen
Oder vielleicht …
… Ford E-Transit Custom, Fiat Ulysse/Scudo, Peugeot Traveller/Expert, Opel Zafira live/Vivaro
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