„Episches Ausmaß“

Verzweifelte Flucht vor nächster Flut in Pakistan

Ausland
02.09.2022 16:37

Nur kurz nachdem Pakistan von einer noch nie dagewesenen Flutkatastrophe heimgesucht wurde, suchen die Menschen erneut, sich in Sicherheit zu bringen. Aufgrund der Prognosen drohen in der Region Sindh erneut Wassermengen von 20.000 Kubikmetern pro Sekunde, warnte die Katastrophenschutzbehörde am Freitag. Ein Drittel Pakistans steht immer noch unter Wasser, Millionen Menschen sind in Lebensgefahr, sind ohne Obdach und Nahrung. Politiker sprechen bereits von einer Katastrophe „epischen Ausmaßes.“

In Pakistan haben die zerstörerischen Überschwemmungen seit Mitte Juni bereits mehr als 1200 Menschen das Leben gekostet. In dem Land mit rund 220 Millionen Einwohnern sind nach Regierungsangaben mehr als 33 Millionen Menschen in drei der vier Provinzen betroffen. Zudem halten die Regenfälle mancherorts an.

Vorbereitungen laufen auf Hochtouren
Im deutschen Entwicklungsministerium laufen derzeit Vorbereitungen für eine Unterstützung Pakistans im Millionen-Bereich, hieß es am Freitag. Demnach haben Ministeriumsvertreter bereits mit den pakistanischen Regierungsstellen Kontakt aufgenommen, um abzuklären, in welchen Bereichen wie geholfen werden kann.

Nein, dieses Bild zeigt keine Küstenstadt wie Venedig - viele Gebiete Pakistans sind nach wie vor unter Wasser. (Bild: AP/Zahid Hussain)
Nein, dieses Bild zeigt keine Küstenstadt wie Venedig - viele Gebiete Pakistans sind nach wie vor unter Wasser.

Monsunregen dreimal so stark wie im Schnitt 
In dem südasiatischen Land ist Monsunsaison, Niederschläge dieses Ausmaßes gab es allerdings seit Jahrzehnten nicht. UN-Angaben zufolge war der Monsunregen dreimal so stark wie im Durchschnitt vergangener Jahre. Behausungen und Habseligkeiten wurden innerhalb von Minuten von den Fluten mitgerissen. Weil viele Brücken und auch Tausende Kilometer Straßen zerstört oder beschädigt wurden, war die Verteilung von Hilfsgütern schwierig.

In der Süd-Provinz Sindh war der Indus, der im Himalaya entspringt und im Arabischen Meer mündet und dabei die Region durchfließt, in der vergangenen Woche über die Ufer getreten. Tausende Soldaten, Rettungskräfte und Freiwillige waren am Freitag teils mit Booten und Hubschraubern zur Rettung von Einwohnern im Einsatz.

„Wettlauf mit der Zeit“
„Es ist ein Wettlauf mit der Zeit“, beschrieb der Provinzregierungssprecher Murtaza Wahab die Evakuierungsbemühungen. Fernsehaufnahmen zeigten Menschen auf Dächern, die Rettungskräfte versuchten heranzuwinken. Andere wateten auf der Suche nach festem Boden durch hüfthohes Wasser. „Wir versuchen, die Menschen zu erreichen, die ohne Nahrung und Unterkunft noch mitten im Wasser sind“, sagte Rustam Jamali, ein Helfer aus der Stadt Dadu.

Derweil harrten im Norden Pakistans, wo selbst eine Woche nach Ende der letzten Regenfälle noch Orte überschwemmt sind, ebenfalls Tausende ohne Nahrung und Unterkunft aus. „Es ist so, als ob wir Flüchtlinge in unseren eigenen Dörfern sind. Wir können nicht ein paar Hundert Meter weiter nach Hause gehen“, sagte ein Anwohner aus der Gemeinde Swat.

Humanitäre Lage wohl bald noch schlechter
Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef sind 16 Millionen Kinder in Not. 18.000 Schulen sind UN-Angaben zufolge landesweit zerstört oder beschädigt worden. Viele der 72 am schwersten betroffenen Distrikte hätten schon vor der Katastrophe zu den ärmsten im Land gehört, sagte der Unicef-Vertreter für Pakistan, Abdullah Fadil, 40 Prozent der Kinder dort seien in ihrer Entwicklung zurückgeblieben. „Viele sind in besonderer Gefahr, ohne Dach über dem Kopf, ohne Schule und ohne sauberes Trinkwasser.“

Unicef habe begonnen, sichere Räume für Minderjährige einzurichten, damit sie nicht missbraucht und ausgenutzt werden und in den Schutzzentren ihre Erfahrungen mit ausgebildetem Personal verarbeiten könnten.

Das Kinderhilfswerk hatte am Mittwoch vor einer weiteren Verschlechterung der „gefährlichen humanitären Lage in den kommenden Tagen und Wochen“ gewarnt, da schwere Regenfälle in bereits unter Wasser stehenden Regionen erwartet würden. In den betroffenen Gebieten seien Millionen Kinder und Hunderttausende Schwangere gefährdet und benötigten dringend humanitäre Hilfe.

Wasser bringt auch gesundheitliche Probleme
Mindestens ein Drittel Pakistans stehe seit Wochen unter Wasser, sagte Klimaschutzministerin Sherry Rehman. Sie bezeichnete die Fluten als klimabedingte Katastrophe epischen Ausmaßes und existenzielle Bedrohung für Pakistan. Laut Planungsminister Ahsan Iqbal ruinierten die Überschwemmungen bereits 45 Prozent der Ackerfläche des Landes.

Durch das stehende Wasser ergeben sich zudem gesundheitliche Probleme für die Menschen - Erkrankungen wie Durchfall, Augenentzündungen oder Hautausschläge. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fürchtete auch die Ausbreitung von Krankheiten wie Cholera, Dengue-Fieber und Malaria. Hilfsorganisationen warnen, dass durch das Fehlen sicherer Unterkünfte, Hygieneprodukte oder Toiletten vor allem für Frauen die Gefahr von Krankheiten und auch sexueller Gewalt steige.

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