Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer wirft der EU-Kommission vor, bei den Russland-Sanktionen „nur mit einer Gehirnhälfte“ gedacht zu haben. Wenn Betriebe zusperren müssten, weil sich die EU-Kommission „zu gut und zu nobel“ sei, das Strompreisdesign zu ändern, „dann ist das eine Art Anschlag auf die gesamte europäische Wettbewerbsfähigkeit“, sagte er am Samstag im „Journal zu Gast“ auf Ö1.
Mahrer sieht die wirtschaftliche Situation wegen der Energiekrise ernster als während der Covid-Krise. Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, ÖGB, Industriellenvereinigung und Landwirtschaftskammer seien alle „höchst alarmiert, weil wir so eine Situation noch nie hatten“.
Erste Warnungen gab es schon im Frühjahr
Ähnlich wie der Faserhersteller Lenzing, der wegen des hohen Energiepreises seine Produktion im Burgenland zurückfahren muss, würden viele unterschiedlicher Branchen und Betriebsgrößen über rigorose Maßnahmen nachdenken, sagte Mahrer. Die Sozialpartner hätten schon seit dem Frühjahr gemeinsam davor gewarnt, dass es zu einer solchen Situation kommen könnte, „wenn nicht rechtzeitig auf europäischer Ebene gehandelt wird“.
Schließungswelle droht
Viele Exportbetriebe seien am internationalen Markt nicht mehr konkurrenzfähig, „weil die Preise, die die Betriebe weitergeben müssten, niemand global bezahlt“, sagte der Wirtschaftskammer-Präsident. Dabei gehe es um energieintensive Betriebe im metallverarbeitenden Bereich, um die Papierindustrie und Kartonagen und um den Chemiebereich. Das seien nicht nur große Betriebe, sondern gehe auch bis zu mittleren und kleineren Bäckereien, Tischlereien und Betrieben des Gewerbes und des Handels.
Viele Exportbetriebe sind am internationalen Markt nicht mehr konkurrenzfähig, weil die Preise, die die Betriebe weitergeben müssen, niemand global bezahlt.
Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer
„Russisches Pipeline-Gas günstiger als verflüssigtes LNG“
Der EU-Kommission warf Mahrer vor, die Sanktionen „nur mit einer Gehirnhälfte“ gedacht zu haben, nämlich ohne notwendige Begleitmaßnahmen, und „das Irrlichtern der Kommission geht ja munter weiter“, etwa beim geplanten „Preisdeckel“ für russisches Pipeline-Gas. Dieses Gas sei nämlich günstiger als verflüssigtes LNG.
„Das Thema ist ja der hohe Preis an den Spotmärkten der Börsen, und nicht primär das russische Pipeline-Gas. Ich glaube, da sollen wieder Sanktionen beschlossen werden, das ist die eigentliche Idee der Kommission, und nicht etwas, das uns helfen würde.“
Wichtig wäre es, den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln. Wenn das eine gewisse Zeit braucht, muss die Republik selbstverständlich die privaten Haushalte, die Mitarbeiter und die Betriebe unterstützen.
Harald Mahrer
Wichtig wäre es, den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln, forderte Mahrer. Wenn das eine gewisse Zeit brauche, „muss die Republik, weil das eine Ausnahmesituation ist, wir reden von einer kriegsähnlichen Wirtschaft, wo normaler Marktmechanismen nicht greifen, selbstverständlich die privaten Haushalte, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Betriebe unterstützen.“
Die Sozialpartner hätten schon im Frühjahr angeregt, im Bereich des Teuerungsausgleichs für Haushalte und Betriebe etwas zu machen. Ein Paket liege bei der Europäischen Union zur Genehmigung, „wobei man dazu sagen, muss, der Budgetrahmen, der da beschlossen worden ist, ist viel zu klein“.
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