Nach dem Willen der EU-Kommission sollen übermäßige Gewinne von Energiefirmen abgeschöpft und mit den Einnahmen Verbraucher entlastet werden. Unternehmen, die CO₂-arm Energie produzierten, würden derzeit Zufallsgewinne machen, die nicht ansatzweise ihre Produktionskosten widerspiegeln, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. „Wir wollen diese unerwarteten Gewinne umleiten, um besonders betroffene Haushalte und Betriebe bei der Anpassung zu unterstützen.“
Das Gleiche gelte für „Zufallsgewinne“ von Unternehmen, die ihr Geschäft mit fossilen Brennstoffen machen, sagte von der Leyen. Die EU-Staaten werden nun darüber beraten. „Das Ziel ist, Einfluss zu nehmen auf den Elektrizitätspreis, wohl wissend, dass er auch durch die globalen Umstände beeinflusst wird“, sagte von der Leyen.
Konkret plant die EU-Kommission eine Preisdeckelung von 200 Euro pro Megawattstunde für Strom, der nicht mit Gas produziert wird. Dies geht aus einer Vorlage der Behörde hervor, die die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte. Zudem will die Kommission, dass die Mitgliedstaaten ihren Stromverbrauch um zehn Prozent pro Monat drosseln, gemessen am durchschnittlichen Verbrauch der vergangenen fünf Jahre. Diese Vorschläge sollen am Freitag beraten werden.
„Außergewöhnlich hohe Gewinne“
Der Erste Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), sieht in den vorgestellten Maßnahmen den absolut richtigen Schritt. „Energieanbieter und Finanzminister erzielen gerade außergewöhnlich hohe Gewinne. Dieser zusätzliche Gewinn muss in die Entlastung, in die erneuerbare Energie und in den Infrastrukturausbau investiert werden“, schrieb Karas am Mittwoch auf Twitter. Jetzt müsse es Tempo bei der Umsetzung geben. Der Energiemarkt müsse neu gedacht werden. Es brauche ein europäisches Modell, um die Übergewinne abzuschöpfen.
Der grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz sieht in einem Preisdeckel und einem Solidaritätsbeitrag von fossilen Energieunternehmen gute Schritte, um der Krise entgegenzuwirken. Völlig überzeugt von dem EU-Vorschlag ist er aber nicht: „Ich vermisse den Vorstoß eines gemeinsamen EU-Gaseinkaufes und konkrete Vorschläge zur Umverteilung der Konzernprofite in der Gesellschaft, um den sozialen Frieden in Europa abzusichern und nicht weiter Spielball von Putins Drohgebärden zu sein“, so Waitz in einer Stellungnahme.
Derzeit wird der Strompreis in Europa vor allem von teuren Gaskraftwerken bestimmt, die wegen der hohen Nachfrage zur Stromproduktion eingeschaltet werden (Stichwort Merit-Order, siehe Grafik unten). Da der Gaspreis vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine stark gestiegen ist, ist auch Strom teurer geworden. Andere Energiefirmen, die billiger Strom produzieren - etwa aus Wind, Sonne oder Atomkraft - machen große Gewinne, weil sie ihren Strom auch zu dem höheren Preis verkaufen können. Ein Teil dieser „Zufallsgewinne“ soll abgeschöpft und für die Entlastung der Verbraucher genutzt werden.
Geld investieren und Strom sparen
Aber auch Öl- und Gasunternehmen hätten große Profite gemacht, sagte von der Leyen. „Wir werden daher für solche Unternehmen einen Solidaritätsbeitrag vorschlagen.“ Die Mitgliedstaaten sollten die Einnahmen daraus nutzen, um besonders betroffene Haushalte zu unterstützen und weiter in saubere, einheimische Energiequellen zu investieren. Als weitere Maßnahme gegen die hohen Strompreise schlug von der Leyen vor, den Stromverbrauch während Zeiten hoher Nachfrage zu reduzieren. „Wir werden ein verbindliches Ziel für die Verringerung des Stromverbrauchs zu Spitzenzeiten vorschlagen.“
Gleichzeitig müsse man die Energieversorgungsunternehmen unterstützen, die derzeit mit der enormen Schwankungen auf den Märkten zu kämpfen hätten, sagte von der Leyen. „Wir werden unsere Rahmen für staatliche Beihilfen aktualisieren, damit staatliche Garantien im Notfall rasch bereitgestellt werden können.“ Als letzte Maßnahme nannte von der Leyen einen Preisdeckel für Importe von russischem Gas. „Das Ziel ist hier ganz klar. Wir müssen Russlands Einnahmen verringern, die Putin zur Finanzierung seines grausamen Krieges gegen die Ukraine verwendet“, sagte die Politikerin. Am Freitag treffen sich die EU-Energieminister, um über die Optionen zu beraten. Kommenden Dienstag könnte die Kommission dann einen entsprechenden Rechtsvorschlag vorlegen.
Putin droht mit komplettem Energie-Boykott
Seitdem Russland Lieferungen über Nord Stream 1 eingestellt hat, fließt nur noch sehr wenig russisches Gas über die Ukraine und die Türkei nach Europa. Der russische Präsident hatte zuvor gedroht, im Fall eines Gaspreisdeckels kein Gas mehr nach Europa zu liefern. „Wenn irgendwelche politische Entscheidungen getroffen werden, die den Verträgen widersprechen, werden wir sie einfach nicht erfüllen.“ Wenn es den russischen Interessen zuwiderlaufe, werde Russland weder Gas, noch Öl, noch Kohle liefern, sagte Putin bei einer Rede in Wladiwostok.
Von dieser Ankündigung solle sich die EU nicht beeindrucken lassen, bemerkte von der Leyen dazu. Weil es „früher oder später“ sowieso zu einem Lieferstopp komme, arbeite Europa hart daran, unabhängig von russischem Gas zu werden. Seitdem Russland Lieferungen über Nord Stream 1 eingestellt hat, fließt nur noch sehr wenig russisches Gas über die Ukraine und die Türkei nach Europa. Von der Leyen sagte, russisches Gas mache nur noch 9 Prozent der Gaseinfuhren in die EU aus, verglichen mit 40 Prozent zu Beginn des Krieges.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.