In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Suizidrate in Österreich mehr als halbiert. Der Innsbrucker Psychiater Eberhard Deisenhammer kennt die Gründe dafür und weiß auch, wie man Menschen in einer schweren Krise helfen kann, doch wieder einen Ausweg zu finden.
Es ist ein sehr heikles Thema. Aber es ist ein wichtiges Thema, über das gesprochen werden muss. Das betont Eberhard A. Deisenhammer anlässlich des Welttages der Suizidprävention am 10. September. Der Psychiater und Psychotherapeut forscht an der Medizin-Uni Innsbruck seit vielen Jahren zu Suizidalität. Und er hat eine gute Nachricht: „In den vergangenen 30 Jahren ist die Suizidrate (Anm. Fälle pro 100.000 Einwohner) in Österreich von 28,3 im Jahr 1986 auf 11,8 2021 massiv zurückgegangen.“ Was allerdings auch stimmt: Österreich liegt im internationalen Vergleich leider immer noch im oberen Bereich.
In der Klinik erleben wir häufig, dass suizidale Menschen sehr erleichtert sind, wenn sie das offen ansprechen können und das Gefühl haben, verstanden zu werden.
Eberhard A. Deisenhammer, Psychiater und Psychotherapeut
„Die Enttabuisierung des Themas ist wichtig“
Wie erklärt sich Deisenhammer den Rückgang? Der Fachmann nennt die Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen und generell des Themas Suizid, sensible Berichterstattung und das Bemühen, Suizidmittel wie Schusswaffen schwer zugänglich zu machen, als wesentliche Gründe für die positive Entwicklung.
Wann Freunde und Familie aufhorchen sollen
Auch im konkreten Fall stuft der Psychiater das Darüber-Reden als zentral ein: „Durch das Ansprechen von Suizidalität bringt man niemanden erst auf die Idee dazu. In der Klinik erleben wir häufig, dass suizidale Menschen sehr erleichtert sind, wenn sie das offen ansprechen können und das Gefühl haben, verstanden zu werden.“ Wichtig sei es, rechtzeitig auf Veränderungen wie sozialer Rückzug, Depressionen oder vermehrter Alkohol-Konsum zu reagieren.
Es geht nicht um eine Lösung aller Probleme, sondern darum, wieder den Blick zu weiten.
Eberhard A. Deisenhammer, Psychiater und Psychotherapeut
„Kontakt und Kommunikation sind wesentlich in der Prävention“, erläutert Deisenhammer. Ziel müsse es sein, Menschen zu stärken, damit sie in Krisen nicht an den Punkt gelangen, an dem sie keinen anderen Ausweg mehr sehen. Studien belegen, dass dieser Moment oft nur wenige Minuten dauert - und doch alles verändert.
Rasche Hilfe für Menschen in einer seelischen Notlage
In Tirol wurde in den vergangenen Jahren ein breites Netzwerk an Anlaufstellen für Menschen in einer Krisensituation gesponnen. Lange Tradition hat die Telefonseelsorge. „Wir leben in einer Zeit des Umbruchs und der Veränderungen. Veränderung erzeugt Unsicherheit und diese schlägt sich auch im Alltagsleben nieder“, fasst Astrid Höpperger, Leiterin der Telefonseelsorge Innsbruck, die aktuelle emotionale Großwetterlage zusammen.
Erreichbar ist die Telefonseelsorge mittlerweile nicht mehr nur übers Telefon, sondern auch per Mail und als Chatberatung. Hilfe bei seelischen Krisen unter:
Umso wichtiger sei es, dass Menschen in einer Krise wissen, dass sie bei der Telefonseelsorge jederzeit jemanden zum Reden haben: „Es geht nicht um eine Lösung aller Probleme, sondern darum, wieder den Blick zu weiten.“ Gerade in der Suizidprävention sei das ein zentrales Ziel, betont Psychiater Eberhard A. Deisenhammer.
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