Die große Enttäuschung über den verpassten Auftaktsieg war bei Bernhard Raimann schnell wieder verflogen. Wenige Momente nach Spielende überwog beim Wiener vielmehr die Freude über sein geglücktes NFL-Debüt. Als erster Österreicher, der den Football nicht hauptberuflich kickt, stand der 24-Jährige am Sonntag beim dramatischen 20:20 seiner Indianapolis Colts bei den Houston Texans in der legendären US-Profiliga am Platz. „Es war ein unbeschreibliches Gefühl“, sagte Raimann.
Die Nervosität konnte Österreichs Football-Pionier vor seinem ersten Einsatz aber nicht so schnell ablegen. „Es war echt aufregend, ich hatte ein bissl Herzrasen“, gab der 2,01-Meter-Mann zu. Er könne sich teilweise gar nicht mehr an die Spielzüge erinnern. Besonders die Kulisse im NRG Stadium von Houston mit fast 70.000 lautstarken Fans beeindruckte Raimann. „Ich habe jahrelang davon geträumt und dass es jetzt endlich Wirklichkeit ist, das glaube ich selber noch gar nicht. Manchmal muss ich mich zwicken, weil es sich noch ein bissl unecht anfühlt.“
In seiner Jugend spielte Raimann bei den Vienna Vikings, damals war er „immer eifersüchtig auf die Fußballer, die die Stadien gefüllt haben“. Jetzt ist der Left Tackle endgültig auf der größten Bühne des American Footballs angekommen. Mit seiner Leistung war Raimann im Großen und Ganzen zufrieden, sie sei aber „natürlich nicht perfekt“ gewesen, wie er selbstkritisch betonte. „Ich habe noch viel zu lernen, aber trotzdem war das echt eine super Erfahrung.“
Bereits in der ersten Hälfte wurde der Rookie, derzeit noch Ersatz hinter Routinier Matt Pryor, von seinem Offensive-Line-Coach Chris Strausser mehrmals auf den Platz geschickt. Er sollte den Weg für Star-Runningback Jonathan Taylor freiblocken. Diese Aufgabe erledigte Raimann tadellos, manchmal auch auf der rechten Seite als zusätzlicher Blocker. „Ich habe versucht, meinen Job so gut es geht zu machen und die zehn anderen Burschen nicht im Stich zu lassen. Das war dann ganz okay.“
Sein Team nicht im Stich gelassen hat Raimann auch während des Trainingslagers im Sommer. Da mussten die Rookies - Raimann war im April als erster Österreicher im NFL-Draft ausgewählt worden - traditionell Aufgaben erledigen. „Ich musste vor der ganzen Mannschaft singen“, erzählte Raimann, der sich für die österreichische Nationalhymne entschied. „Ich bin überhaupt kein guter Sänger und hab sie definitiv in allen schiefen Tönen gesungen, aber dafür mit vollem Einsatz. Sie haben es mir durchgehen lassen.“
Hoffnung auf mehr Spielzeit
In den kommenden Wochen erhofft sich Raimann jedenfalls mehr Spielzeit. Der Startplatz des nicht immer überragend wirkenden Pryor wirkt greifbar. Zunächst steht aber die Aufarbeitung des Saisonstarts auf dem Programm. Denn die deutlich favorisierten Colts kamen in Houston erst ganz zum Schluss in Fahrt, Kicker Rodrigo Blankenship verkickte in der Verlängerung auch noch den möglichen Sieg. „Das ist ein Riesen-Rückschlag für uns auf dem Weg zum Super Bowl. Das ist unser Ziel. Die Zwischenziele sind natürlich, jedes einzelne Spiel zu gewinnen. Und das nicht zu schaffen, ist sehr enttäuschend“, sagte Raimann.
Seine Familie fieberte in der Heimat mit. „Die ganze Familie hat sich den NFL Game Pass gekauft. Sie waren alle ganz aufgeregt und haben Bilder in die Family-Gruppe auf Whatsapp geschickt“, sagte Raimann nach einem ersten Blick aufs Smartphone. Auch seine Verlobte Calli blieb aufgrund der Reisestrapazen in „Indy“, wo sie auf das neueste Familienmitglied, den Golden Retriever „Dax“, aufpasste.
Remis als wahre Rarität
Raimanns erstes NFL-Spiel endete unentschieden, eine wahre Rarität. Denn in den vergangenen fünf Jahren gab es insgesamt nur sechs Unentschieden, für die Texans war es das erste Remis überhaupt, für die Colts das erste seit fast 40 Jahren. Kurios: Toni Linhart, neben Toni Fritsch und „Ray“ Wersching einer der drei rot-weiß-roten NFL-Kicker in den 1970er- und 1980er-Jahren, startete seine Karriere vor 50 Jahren bei den New Orleans Saints ebenfalls mit einem 20:20-Unentschieden bei den San Francisco 49ers.
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