Edtstadler in Israel

Holocaust-Überlebende: „Ich lag lebendig im Grab“

Politik
14.09.2022 06:00

Eine Holocaust-Überlebende erzählt in Jerusalem ihr unfassbares Martyrium in der NS-Zeit. Als prominente Zuhörerin fungierte Bundesministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Rande ihrer Israel-Reise. Die „Krone“ war in Jerusalem dabei.

„Das ist mein Triumph über den Nazismus!“ Es ist eine kleine zarte Frau, die das sagt. 84 Jahre ist sie alt. Ihre Haare sind kurz, ganz weiß. Sie lehnt in einem Sessel in einem Wohnzimmer mitten in Tel Aviv. Und sie spricht von ihrer - für uns - unfassbaren Vergangenheit und ihren Erlebnissen mit den Nazis.

Edtstadler überreichte Staatsbürgerschaften
Neben ihr sitzt Europaministerin Karoline Edtstadler. Sie ist nach Israel gereist, um Staatsbürgerschaften zu überreichen, das Leo Baeck Education Center (eine interkulturelle Bildungseinrichtung mit Sitz in Haifa) und Yad Vashem (die Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust) zu besuchen und eine Rede vor der internationalen Delegation der World Summit on Counter Terrorism zu halten.

Antisemitismus war das Thema der Ministerin. „Ich bin ernsthaft besorgt über den zunehmenden Antisemitismus nicht nur in Österreich und Europa, sondern weltweit.“ Alleine die Zahlen in unserem Heimatland sprechen Bände, sie sind in die Höhe geschnellt. Alles hat hier eine Rolle gespielt: Corona, aber auch der Ukraine-Krieg.

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Ich bin ernsthaft besorgt über den zunehmenden Antisemitismus nicht nur in Österreich und Europa, sondern weltweit.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP)

Die Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) registrierte - wie berichtet - eine Verdoppelung der Vorfälle (257 waren es im ersten Halbjahr 2021 - 562 im Vergleichszeitraum 2022). „Es braucht alle von uns, um diesen Virus des Hasses zu bekämpfen“, sagt Edtstadler.

Sie will Zeichen setzen, erklärt sie. Unter anderem mit Staatsbürgerschaften, die sie acht israelischen Nachkommen von Verfolgten des Nationalsozialismus in der Botschaftsresidenz in Herzliya bei Tel Aviv überreicht hat. 14.000 Holocaust-Überlebende haben diese Bescheide bis dato bekommen.

Omri Rotem ist Kellner in Tel Aviv - er hat uns am ersten Tag auf unserer Israel-Reise liebevoll umsorgt. Und erst als wir gehen, erzählt er, dass er seit ein paar Wochen stolzer Österreicher ist. Apropos stolz, so schließt sich der Kreis, was Wiedergutmachung, Verarbeitung der Vergangenheit, das Hier und Jetzt und die Zukunft betrifft. Diese kleine zarte Frau hat einen Namen. Sie heißt Aliza Landau. Sie ist stolz darauf, überlebt zu haben. Sie ist ein Rock-Star! Und sie lacht, wenn sie diesen Ausdruck im „Zikaron BaSalon“, bedeutet „Gedenken im Wohnzimmer“, hört (eine israelische Initiative, die seit 2011 versucht, die Erinnerung an den Holocaust durch persönliche Gespräche mit Zeitzeugen in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten, und die es in Kürze auch in Österreich geben wird).

„Ich lag lebendig im Grab“
Obwohl sie als Kind nichts zu lachen hatte: Sie hatte keine Kindheit. Aliza Landau war 6 Jahre alt, als sie nach einem irren „Versteckspiel“ in den Kriegswirren plötzlich in einem auf einem Feld ausgehobenen Grab in den Händen ihres von einem deutschen Soldaten erschossenen Papas lag. Daneben ihr verhungerter Bruder. „Ich lag lebendig im Grab“, erzählt die heute 84-Jährige. Ihre letzten Worte in dem diesem Erdloch waren: „Auf Wiedersehen!“ Sie küsste den Vater, den großen Bruder. Dann kämpfte sie sich über Wurzeln aus dem schwarzen Erdloch. Wie sie es schaffte - abgemagert, am Ende ihrer Kräfte - weiß Aliza nicht mehr.

Eines jedoch weiß sie, ihre Geschichte muss weitererzählt werden. Denn „so etwas darf sich nie wieder wiederholen“, sagt sie zu Edtstadler. Diese nickt: „Wir haben uns geändert und zeigen, dass wir die volle Verantwortung übernehmen für das, was zwar nicht wir getan haben, aber was bei uns getan wurde.“

Aliza lächelt zufrieden, wenn sie das hört. „Ich habe drei Kinder und sieben Enkel.“ Ihr persönlicher Triumph eben - der über den Nazismus.

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