Mit der Abschaffung der kalten Progression geht es im Zuge des von der Regierung angekündigten Entlastungspakets einem auf den ersten Blick paradoxen Phänomen an den Kragen: Trotz Gehaltserhöhung kann es vorkommen, dass sich Menschen weniger leisten können als zuvor. Mit dem Aus könnten Durchschnittsverdiener nun etwa 24 Euro mehr pro Monat beim Nettolohn erhalten.
Wie in vielen anderen Staaten ist auch ist der Tarif der Lohn- bzw. Einkommensteuer in Österreich „progressiv“ angelegt. Das Einkommen wird (zumindest bei höheren Gehältern) in Teile zerlegt und mit nach sogenannten Tarifstufen steigenden Steuersätzen belastet. Bis zu einem jährlichen Gehalt von 11.000 Euro fallen etwa im Jahr 2022 keine Steuern an. Bei einem Gehalt zwischen 11.001 und 18.000 Euro sind erneut die ersten 11.000 Euro steuerfrei, der darüber hinausgehende Teil unterliegt einem Steuersatz von 20 Prozent. Bei einem Gehalt über 18.000 Euro bis zu 31.000 Euro gilt das Gleiche: Die ersten 11.000 Euro sind steuerfrei, der Teil zwischen 11.000 und 18.000 Euro wird mit 20 Prozent besteuert und der über 18.000 Euro hinausgehende mit 32,5 Prozent. Das setzt sich fort bis zu Gehaltsteilen über einer Million Euro, für die 55 Prozent an Steuern zu bezahlen sind.
Am Sprung zur nächsten Tarifstufe greift kalte Progression
Die kalte Progression schlägt nun vor allem bei jenen Menschen zu, die nahe an der Schwelle zu einer höheren Tarifstufe stehen. Wenn sie eine Gehaltserhöhung (etwa infolge der jährlichen Lohnrunden) bekommen, fallen sie in eine höhere Tarifstufe. Zumindest für einen Teil ihres Zusatzgehaltes bezahlen sie damit einen höheren Steuersatz. Folge: Von der Bruttoerhöhung bleibt netto weniger über. Je mehr Arbeitnehmer durch Lohnerhöhungen also in höhere Tarifstufen vorrücken, desto mehr schöpft der Staat von den Lohnerhöhungen ab. Diesen Effekt nennt man kalte Progression - „kalt“, weil dafür keine aktive Handlung oder Steuererhöhung nötig ist.
Kommt zur eigentlichen kalten Progression noch eine hohe Inflation, verstärkt sich der Effekt für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Wenn etwa die Waren im Supermarkt wesentlich teurer werden, steigt nicht nur das Nettogehalt weniger stark als das Bruttogehalt - es kann sogar zu realen Lohnverlusten kommen.
Im Schnitt 24 Euro mehr pro Monat
Für die Menschen würde sich die Abschaffung der kalten Progression daher darin bemerkbar machen, dass das steuerfreie Gehalt steigt, außerdem würden sämtliche Tarifstufen nach oben verschoben. Das durchschnittliche Monatseinkommen der Österreicher lag 2020 bei 2161 Euro brutto, netto würden hier nach Abschaffung der kalten Progression und mit den neuen Steuertarifen dann um rund 24 Euro mehr ausbezahlt werden.
Will man die kalte Progression abschaffen, müssten also die Tarifstufen bzw. in weiterer Folge auch die Absetzbeträge jährlich an die Inflation angepasst werden. Das passiert etwa in der Schweiz, Frankreich oder den USA. Es gibt aber auch Kritik an einer solchen Maßnahme: Sie ist für den Finanzminister in der Summe teuer und die Arbeitnehmervertreter fürchteten zuletzt durch diesen politischen Schritt einen Nachteil bei den Verhandlungen der Herbstlohnrunde.
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