Orban-„Wahlautokratie“
EU-Parlament: Ungarn ist keine Demokratie mehr
Das EU-Parlament erachtet Ungarn nicht mehr als vollwertige Demokratie. Da sich die Zustände in dem Land so sehr verschlechtert hätten, sei es zu einer „Wahlautokratie“ geworden, heißt es in einem Bericht. Die Abgeordneten begründeten das unter anderem mit einem Zerfall von Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten.
Die ungarische Regierung versuche, die Grundwerte der EU-Verträge vorsätzlich und systematisch zu untergraben, heißt es. Die EU-Kommission warf Ungarn beispielsweise Korruption, Interessenskonflikte und massive Probleme bei der öffentlichen Auftragsvergabe und Parteienfinanzierung vor. Vor allem Korruption bemängelt sie schon lange. In einem Bericht vom Juli ist die Rede von „einem Umfeld, in dem die Risiken von Klientelismus, Günstlings- und Vetternwirtschaft in der hochrangigen öffentlichen Verwaltung nicht angegangen werden“.
In einem anderen Dokument wird von „schwerwiegenden systembedingten Unregelmäßigkeiten, Mängeln und Schwachstellen in den öffentlichen Vergabeverfahren“ berichtet. Eine Gruppe rund um den ungarischen Regierungschef Viktor Orban soll sich zum Schaden des gemeinsamen EU-Haushalts bereichern. Dass etwas gegen mutmaßliche Rechtsstaatsverstöße in unserem Nachbarland unternommen werden müsse, fordert ein Teil der EU-Abgeordneten bereits seit Monaten. Dem Land sollen womöglich EU-Gelder gekürzt werden.
Folgen weniger EU-Mittel?
Damit tatsächlich Mittel reduziert werden, ist ein Beschluss von mindestens 15 EU-Staaten mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung nötig. Derzeit ist aber noch immer ein Kompromiss mit Ungarn möglich, weshalb einzelne Abgeordnete befürchten, dass das Geld letztlich doch an Ungarn fließen wird.
Um dem Punkt entgegenzutreten, dass EU-Gelder missbraucht werden könnten, löste die EU-Kommission nach langem Zögern im April den Rechtsstaatsmechanismus gegen Ungarn aus. Aus dem neuen Dokument geht hervor, dass die Behörde den EU-Staaten vorschlagen könnte, bis zu 70 Prozent aus mehreren Programmen der Strukturfonds einzubehalten. Diese sind dazu gedacht, benachteiligte Regionen zu fördern. Für Ungarn könnten das rund sieben Milliarden Euro weniger sein, rechnete der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund aus. Ein entsprechender Vorschlag könnte am Sonntag unter Präsidentin Ursula von der Leyen beschlossen werden.
Kritik an Untätigkeit
Die Abgeordneten kritisierten in ihrem Bericht außerdem die Europäische Union selbst, da diese nicht entschlossen genug gehandelt und keine entsprechenden Maßnahmen gesetzt habe, um dem Zerfall der Demokratie vorzubeugen. Ungarn sei „zu einem hybriden System der Wahlautokratie geworden“. Diese Einstufung ist jedoch nicht bindend.
Während der österreichische ÖVP-Europabgeordnete Lukas Mandl und die SPÖ-Abgeordnete Bettina Vollath die Einstufung Ungarns teilen, äußerte der freiheitliche Delegationsleiter Harald Vilimsky Kritik: „Die allgemeine Situation der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn wird in diesem Bericht angeprangert, ohne jedoch konkrete Verstöße zu belegen. Es ist eine Schande, wie Ungarn hier auf der europäischen Bühne behandelt wird.“ Es handle sich um eine „politische Inszenierung durch die Linken“.
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