Polizei berichtet:

Leichen in Gräbern in Isjum sind Zivilisten

Ukraine-Krieg
16.09.2022 19:32

Nachdem 445 Leichen in der ostukrainischen Stadt Isjum gefunden worden waren, liegen nun die ersten Ermittlungsergebnisse vor. Es soll sich entgegen erster Aussagen nicht um ein Massengrab, sondern um einzelne Gräber handeln. Die Toten sind laut Polizei überwiegend Zivilpersonen, die durch Artilleriebeschuss oder Luftangriffe ums Leben gekommen sind.

„Nach einer vorläufigen Schätzung sind es Zivilisten. Wir haben zwar Informationen, dass sich dort auch Soldaten befinden - aber wir haben noch keinen einzigen geborgen“, sagte Polizeichef Ihor Klymenko am Freitag auf einer Pressekonferenz. Alle Leichen sollen nun forensisch untersucht werden, ergänzte der Chef der Ermittlungsbehörde im Gebiet Charkiw, Serhij Bolwynow. „Ich kann sagen, dass es sich um eine der größten Begräbnisstätten in den befreiten Gebieten handelt. Einige starben durch Artilleriebeschuss, andere starben durch Luftangriffe.“

Isjum war erst kürzlich von den russischen Truppen zurückerobert worden. Tausende russische Soldaten und Soldatinnen waren am vergangenen Wochenende geflohen, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besuchte die Stadt am Mittwoch. Nachdem die Gräber in Isjum entdeckt worden waren, verglich er die Ereignisse mit jenen im Kiewer Vorort Butscha. Dort waren im Februar zahlreiche Leichen von Zivilpersonen entdeckt worden. Selenskyj warf Russland ein weiteres Mal Kriegsverbrechen vor.

Folterkammern und gefesselte Leichen
Die ukrainische Polizei gab am Freitag Anhaltspunkte für diese Version. Sie habe mindestens zehn Folterräume in der Region Charkiw entdeckt, die Behörden hätten bereits in 204 Fällen Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte eingeleitet. Laut dem lokalen Gouverneur von Isjum sind nun Leichen gefunden worden, deren Hände auf dem Rücken gefesselt worden waren. Das soll mit internationaler Hilfe noch untersucht werden.

Die Vereinten Nationen wollen Beobachter und Beobachterinnen in die ukrainische Stadt schicken, „um mehr darüber herauszufinden, was passiert sein könnte“, sagte Sprecherin Liz Throssell in Genf. Ein genaues Datum für einen solchen Besuch nannte sie vorerst nicht.

Kreuze mit Nummern
Die Menschen in Isjum sind laut dem Vermisstenbeauftragten Oleh Kotenko wahrscheinlich im März gestorben, als Russlands Truppen die Stadt heftig beschossen hatten, um sie zu erobern. Da die Bestattungsdienste zum Teil nicht gewusst hätten, wer die vielen toten Zivilpersonen seien, stünden auf einigen Kreuzen nur Nummern. Die Behörden arbeiten jetzt daran, ein Register mit den Fundorten der Leichen zu finden.

Das österreichische Außenministerium zeigte sich in einer ersten Reaktion am Freitag „tief erschüttert über die jüngsten Berichte von Massengräbern in Isjum“. Die Täter müssten zur Verantwortung gezogen werden. US-Präsident Joe Biden kündigte der Ukraine unterdessen Militärhilfe in der Höhe von 600 Millionen Dollar an.

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