Einen schönen Montagabend.
Es gab eine Zeit, gar nicht so lange her, da sind die Menschen zum Donaukanal gefahren, um Menschen zu fotografieren, die zum Donaukanal gefahren sind. Dort stand das Partyvolk dicht gedrängt, statt sich daheim in Einzelhaft lebend aufbahren zu lassen, diese rücksichtslosen Jungen. Sie redeten miteinander, sangen und was man mit Zungen eben noch so macht, während nicht mehr ganz so Junge über den Seuchenherd livetickerten und über ihre Empörung, als wäre eine Leprakolonie unter die Nomaden gegangen. Ja, solche Pandemiepartys waren nicht klug, aber als jemand, dessen Jugend weit zurückliegt, aber nicht so weit, dass ich nur noch über eine Reinkarnationstherapie Erinnerungen daran abrufen kann, hatte ich Verständnis für den Wunsch einer Generation, auch bei geselligeren Ereignissen zusammenzufinden als immer nur bei Trauerfeiern.
Ähnliches erleben wir nun beim Oktoberfest, bei dem sich Abertausende in Zelte quetschen. Virologen müssen klären, ob so ein Event eine hervorragende Idee ist, Flatten The Curve scheint hier primär für die Lernkurve zu gelten. Es ist zumindest ein Ort, an dem alle zusammenkommen - Impfbefürworter können auf ihren 16. Stich anstoßen, Impfgegner bei Schweinshaxe, Kässpätzle, Dampfnudeln und zwei Hektolitern Bier darüber philosophieren, dass sie sich bestimmt nicht jedes Zeug in den Körper hauen.
Der Covidpranger wird jedenfalls bald abgelöst von den Heizstrahlern. Es ist in den vergangenen Tagen in den sozialen Medien bereits aufgefallen. Auf Twitter etwa postete eine Person das Foto eines Schanigartens, der künstlich aufgeheizt wird, mit den Worten: „Und für die Oar…“ - hier unterbreche ich kurz, weil ich die genaue Beschreibung nicht ausformulieren möchte, aber die Bezeichnung dokumentiert ein Areal des menschlichen Körpers, das naturgemäß immer wohl temperiert ist, weil es sich in einer gut eingebetteten Senke zwischen zwei Bergen befindet - „soll ich jetzt nicht heizen und kalt duschen?“. So fängt es an, die Bloßstellung mutmaßlicher Energiesünder, die Stigmatisierungen, sie werden exponentiell ansteigen.
Schon bald rücken sie alle aus: Die Dusch-Inspektoren, die bei ihren Nachbarn ungefragt jede Badebombe entschärfen. Die Fensterkippzeitenzähler und Wäschetrocknerverräter. Selbst ernannte Richter, immer unter Strom stehend, die Familienmitglieder am liebsten in Haft stecken würden, weil sie Raviolidosen mit einem elektrischen Öffner aufmachen oder einen Handstaubsauger benutzen. Energiespione, die nebenan durch Türspalten und Fenster schielen, dabei Temperaturen messen, Vorwaschprogrammzeiten addieren, Standby-Intervalle mitstoppen und beleuchtete Weihnachtskrippen der Twitterpolizei melden. Meine Güte, das böse Weihnachten, Maria und Josef als Stromfresser - Advent, Advent, ein Lichtlein brennt, welch Entrüstung in den sozialen Medien. Jesus und Judas werden heuer besonders früh aufeinandertreffen. Schön wird diese Zeit der öffentlichen Beschuldigungen nicht werden.
Und sonst? War noch etwas? Ein überschaubarer Tag: Die Metaller wollen 10,6 Prozent mehr Lohn, Seilbahnchef Franz Hörl ist wieder mit einer Gaga-Meldung aufgefallen, und in London wurde eine 96-Jährige beerdigt.
Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.
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