„Sterben für Illusion“

Russische Popdiva kritisiert Krieg und erntet Zorn

Ausland
19.09.2022 21:34

Die bekannte russische Popsängerin Alla Pugatschowa hat Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine scharf kritisiert. Zuvor war ihr Ehemann, der das Vorgehen der Moskauer Führung anprangerte, als „Auslandsagent“ auf eine schwarze Liste gesetzt worden. Aus Solidarität forderte Pugatschowa nun dasselbe für sich ein. Mit ihren Äußerungen zog sich die Sängerin, die in ihrer Heimat immer noch als Superstar gilt, den Spott und Zorn des offiziellen Russlands zu.

Sie bitte darum, ebenfalls zu den Auslandsagenten gezählt zu werden, „denn ich bin solidarisch mit meinem Mann, einem ehrlichen, anständigen und aufrichtigen Menschen“, hatte die 73-Jährige am Sonntag auf ihrem Instagram-Account geschrieben. Ihr Ehemann - der Komiker Maxim Galkin - sei ein „wirklicher und unkäuflicher Patrioten Russlands, der seiner Heimat Wohlstand wünscht, ein friedliches Leben, Redefreiheit und ein Ende des Sterbens unserer Burschen für illusorische Ziele, die unser Land zum Paria machen und das Leben unserer Bürger erschweren.“

„Feixen und klugscheißen“
Das Echo, das auf diese harte Kritik an der russischen Invasion folgte, war groß. Zornig und spöttisch reagierte Waleri Fadejew, der Leiter der Menschenrechtskommission des russischen Präsidenten. „Diese Dichterlinge, Harlekine und Gaukler brauchen bloß eine Möglichkeit zu singen und zu tanzen, zu feixen und vulgär klugzuscheißen“, kommentierte er auf der offiziellen Website seiner Institution die Forderung nach Wien. Mit seiner Formulierung spielte er auf „Harlekino“ an, eins der bekanntesten Lieder Pugatschowas. Auch der kremlnahe russische Rapsänger Timati zog über den angeblich fehlenden Patriotismus der Sängerin her.

Alla Pugatschowa ist in Russland nach wie vor sehr populär (Archivbild). (Bild: APA/AFP/Natalia KOLESNIKOVA)
Alla Pugatschowa ist in Russland nach wie vor sehr populär (Archivbild).

Die staatlichen Medien allerdings ließen ihre Kriegskritik in der Berichterstattung unter den Tisch fallen und berichteten nur über ihre Forderung, ebenfalls zum „Auslandsagenten“ - ein Stigma in Russland - gestempelt zu werden. Der Kreml wollte die Äußerung Pugatschowas nicht kommentieren.

In Russland gab es auch Zuspruch für die Sängerin. So veröffentlichte Julia Nawalnaja, die Ehefrau des Kremlkritikers Alexej Nawalny, die Kritik Pugatschowas bei Instagram. Die britische Elektropop-Band Pet Shop Boys twitterte: „Wir bewundern den Mut und die Ehrlichkeit des legendären russischen Superstars Alla Pugatschowa, die Wladimir Putins Krieg in der Ukraine angeprangert hat und sagte, er werde Russland zum Paria machen.“

Im Dezember 2014, bereits nach der Annexion der Krim, stand Pugatschowa noch an der Seite von Präsident Putin. (Bild: AP/Sputnik)
Im Dezember 2014, bereits nach der Annexion der Krim, stand Pugatschowa noch an der Seite von Präsident Putin.

„Kräftige Ohrfeige“ für Kreml
Der Politologe Abbas Galljamow, einst Redenschreiber von Machthaber Wladimir Putin, sprach von einer „kräftigen Ohrfeige“ für den Kreml. „Wenn es im Land noch bedeutende Menschen gibt, über die Konsens herrscht, dann ist das natürlich Pugatschowa“, schrieb er auf seinem Telegram-Kanal. Sie habe Politik stets außen vor gelassen. „Ihre plötzliche Politisierung kann in der Gesellschaft das für die Obrigkeit so gefährliche Gefühl: “Jetzt reichts„ erzeugen“, meinte er.

Bisher hatte sich Pugatschowa mit politischen Äußerungen zurückgehalten. Nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine reiste das Paar nach Israel aus. Sie tat dies wortlos, er kritisierte im Exil die russische Führung. Pugatschowa prägte seit den 1970er Jahren die Rock- und Popmusik in Russland. Ihr Erfolg hat den Untergang der Sowjetunion überdauert - sie war mit ihrer ständigen TV-Präsenz eine der schillerndsten Showgrößen Russlands und ihre Ehe mit dem 27 Jahre jüngeren Moderator und Komiker Maxim Galkin ein Dauerthema für die Boulevardmedien. 

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