Experte: „Überzogen“

Polaschek will Kritik an Lehrplänen ernst nehmen

Politik
21.09.2022 10:05

Die Entwürfe für die neuen Lehrpläne sind bei Lehrern und Bildungsexperten auf Kritik gestoßen - diese seien unleserlich verfasst, praxis- und realitätsfern, so die Vorwürfe. Bildungsminister Martin Polaschek versprach nun, dieses Feedback „sorgfältig zu sichten“. „Dass es nicht nur Zustimmung gibt, ist klar.“ Man müsse schauen, welche Standesvertretungsgruppen welche Kritik geäußert habe, „wir nehmen es jedenfalls ernst“, versprach er. Mit einem neuen Strategiepapier sollen Schulen zudem künftig besser für die Bekämpfung von Antisemitismus gerüstet sein. 

„Es gibt viele - positive, negative Stellungnahmen. Wir werden diese Stellungnahmen sorgfältig sichten“, sagte der Minister nach dem Ministerrat. Er verwies darauf, dass „sehr viel Experten“, auch Lehrer und Lehrerinnen, an den Lehrplänen für die Volks- und Mittelschule bzw. AHS-Unterstufe mitgearbeitet hätten. Auch habe es eine lange Begutachtungsfrist von zehn Wochen gegeben, betonte er. 

Bildungsminister Martin Polaschek (Bild: APA/TOBIAS STEINMAURER)
Bildungsminister Martin Polaschek

Bildungsexperte: „Völlig überzogenes Dokument“
Der emeritierte Bildungswissenschafter Stefan Hopmann kann die Kritik der Lehrer nachvollziehen: „Ich habe selten ein so überfrachtetes, mit Erwartungen völlig überzogenes Dokument gesehen“, meinte er im Ö1-„Morgenjournal“ zu den Lehrplänen. „Wenn man ernsthaft unterrichten wollte,(....) was da alles aufgeführt wird, würde man von Hölzchen auf Stöckchen springen und nie dazu kommen, irgendetwas etwas ernsthaft zu bearbeiten.“

Die vorgegebenen Ziele könnten in der Realität nie erreicht werden, meinte Hopmann. „Die Lyrik im ersten Teil des Lehrplans“ sei „weit überschießend“:„Da wird eine Riesenerwartungshaltung aufgebaut, die mit täglichem Unterricht wenig bis gar nichts zu tun hat.“ Er plädierte daher dafür, das Regelwerk „auf ein Maß zurechtzustutzen, das auch mit der Schulrealität zu tun hat“ und aus der Fülle an Themen jene Teilbereiche auszuwählen, die realistisch auch im Unterricht behandelt werden können.

Auszug aus dem neuen Lehrplan:

„Lehrerinnen und Lehrer verstehen es als ihre Aufgabe, Schülerinnen und Schüler individuell wahrzunehmen und zu fördern und vermeiden stereotype Zu- und Festschreibungen. Lehrerinnen und Lehrer kennen und nutzen geeignete pädagogische Diagnoseinstrumente, um die Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler festzustellen und deren Lernprozesse entsprechend begleiten zu können. Sie fördern individuelle Lernprozesse durch unterschiedliche und abwechslungsreiche Lernsettings und verwenden dazu passende Lernmaterialien. Sie geben individuelle, lernförderliche Rückmeldungen und ermöglichen den Schülerinnen und Schülern, ihren Kompetenzzuwachs bewusst wahrzunehmen.“

Lehrpläne sollen ab nächstem Schuljahr gelten
Die neuen Lehrpläne für alle Fächer der Volksschule, Mittelschule und AHS-Unterstufe werden seit 2018 erarbeitet und sollen ab 2023/24 gelten. Technisch sind sie Verordnungen, die vom jeweiligen Bildungsminister erlassen werden.

Antisemitismus-Programm in Schulen
Ein neues Strategiepapier soll Schuldirektionen, Bildungsverwaltung und die für die Lehreraus- und -weiterbildung zuständigen Pädagogischen Hochschulen bzw. Universitäten künftig besser rüsten, um gegen Antisemitismus vorzuzugehen. Auch Empfehlungen zur Unterstützung von Menschen, die von antisemitischen Vorfällen betroffen waren, finden sich in dem Papier mit dem Titel „Prävention von Antisemitismus durch Bildung“, das am Mittwoch in Wien präsentiert wurde.

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