Experte analysiert

Heeresstratege: „Teilmobilmachung wird dauern“

Ausland
21.09.2022 17:31

Was bedeutet Wladimir Putins Teilmobilmachung nun für 300.000 junge russische Soldaten? Wie wird sie abgewickelt? Und was für einen militärischen Wert für Russland haben die angehenden Kämpfer, die längst im zivilen Leben Fuß gefasst haben? Diese Fragen beantwortete am Mittwoch der Militärstratege Oberst Bernhard Gruber vom österreichischen Bundesheer.

Mit 150.000 Mann hat Russland die Ukraine überfallen - nun sollen 300.000 Reservisten nachfolgen, die zwangseingezogen werden. „Das wird dauern“, ist sich Gruber sicher, handelt es sich bei solch einer großen Teilmobilmachung um einen hochkomplexen Vorgang. „Vermutlich werden nicht alle 300.000 Männer gleichzeitig einberufen, das würde das System überlasten.“ 

Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Mittwoch angesichts der Militäraktion Moskaus in der Ukraine eine Teilmobilmachung der Streitkräfte angeordnet. (Bild: The Associated Press)
Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Mittwoch angesichts der Militäraktion Moskaus in der Ukraine eine Teilmobilmachung der Streitkräfte angeordnet.

„Das dauert Monate“
Nach einer kurzen medizinischen Musterung würde die Ausbildung der beorderten Reservisten beginnen, deren Armeezeit teils schon lange zurückliegt. „Hier muss man unterscheiden: Bilde ich eine Jägergruppe aus, so ist das in ein bis zwei Monaten erledigt. Brauche ich Panzerbesatzung, dauert das länger. Und will ich einen ganzen Verband zu einer Kampfgemeinschaft machen, so dauert das Monate. Da sind wir dann schon mitten im Winter.“ Ein Problem sieht Gruber in den Ausbildnern: „Präsenzeinheiten sind zu einem großen Teil in der Ukraine im Einsatz und kämpfen. Oder sind bereits gefallen.“ 

Schwierige Auswahl bei Einberufung
Und die Mobilisierung zieht auch innenpolitisch einen ganzen Rattenschwanz an Themen mit sich: Aus welchen Regionen wird einberufen? Wer darf sich befreien lassen? Wie stark leidet die Industrie unter dem Wegfall der Arbeitskräfte, die eigentlich zum Aufbau der Kriegswirtschaft gebraucht werden? Füllen Frauen wie etwa im Zweiten Weltkrieg diese Lücke? „Normalerweise steht in Friedenszeiten ein hochkomplexer Plan hinter so einer Einberufung“, erklärt Gruber. „Sonst herrscht Chaos.“

Gruber unterscheidet auch nach Zielen, die Russland verfolgt: „Will Putin die Donbass-Eroberung vorantreiben, so braucht er offensive, mechanisierte Verbände. Diese neu aufzustellen, auszubilden und an die Front zu bringen dauert deutlich länger, als Infanteristen zur Verteidigung in die Schützengräben zu schicken.“ Die zentrale Frage bleibt aber aus Sicht Grubers das Material: Ohne moderne Waffen, nur mit reiner Masse an Soldaten, werden es die Russen schwer haben.    

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