„In den Fleischwolf“
Protest gegen Mobilisierung: Hunderte Festnahmen
„Tausende russische Männer - unsere Väter, Brüder und Ehemänner - werden in den Fleischwolf des Krieges geworfen? Wofür werden sie sterben? Nein zur Mobilisierung!“ Diesem Protestaufruf in den sozialen Medien sind vereinzelt Russen gefolgt und am Mittwoch in mehreren Städten auf die Straßen gegangen. Die Sicherheitskräfte schritten aber kompromisslos ein. Bis zum späten Mittwochabend wurden dem Bürgerrechtsportal OVD-Info zufolge russlandweit bereits mehr als 1000 Menschen verhaftet.
In den beiden größten Städten des Landes, Moskau und Sankt Petersburg, gab es auch die größten Kundgebungen. In der Hauptstadt Moskau forderten die Menschen in Sprechchören ein „Russland ohne Putin“. Die Teilnehmer hielten auch Plakate mit den Farben der ukrainischen Flagge und Sprüchen wie „Nein zur Mobilisierung!“ in die Höhe. Angesichts massiver staatlicher Repressionen in Russland dürften die Proteste aber wohl nicht allzu groß ausfallen.
In Moskau warnten die Behörden noch vor Beginn einer geplanten Demonstration nachdrücklich vor einer Teilnahme: Die Staatsanwaltschaft drohte den Menschen mit bis zu 15 Jahren Haft. Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine vor knapp sieben Monaten geht die russische Staatsmacht unter anderem mit verschärften Gesetzen hart gegen Oppositionelle und Kriegsgegner vor.
Ein vage gehaltener Mobilisierungserlass
Mittwochfrüh hatte Präsident Wladimir Putin bei einer Ansprache im Fernsehen die Teilmobilisierung von Russlands Streitkräften befohlen. Insgesamt 300.000 Reservisten sollen zum Kampf gegen die Ukraine eingezogen werden. Hintergrund dürften personelle Schwierigkeiten Russlands bei dem am 24. Februar begonnenen Angriffskrieg sein.
Das Verteidigungsministerium spricht davon, dass es ein riesiges Potenzial an Reservekräften von 25 Millionen Menschen habe. Nach russischem Recht können theoretisch Männer und Frauen im Alter von 18 bis 60 Jahren als Reservisten einberufen werden, je nach ihrem Dienstgrad.
Der Mobilisierungserlass ist offenbar absichtlich vage gehalten, um den Behörden bei der Umsetzung einen großen Spielraum zu geben. Die Zahl 300.000 wird in der veröffentlichten Fassung des Dekrets gar nicht erwähnt. Sie stammt von Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Die Hauptaufgabe der Reservisten wird laut Schoigu darin bestehen, die Frontlinie in der Ukraine zu verstärken, die derzeit mehr als 1000 Kilometer lang ist.
Ergreifen Reservisten bereits die Flucht?
Die Reservisten können nicht sofort in der Ukraine eingesetzt werden, da sie zunächst eine Auffrischung ihrer Ausbildung absolvieren müssen. Westliche Militäranalysten gehen daher davon aus, dass es mehrere Monate dauern wird, bis sie zum Einsatz kommen. Die Ankündigung der Mobilisierung scheint bei einigen potenziellen Reservisten Panik ausgelöst zu haben. Laut Ticketverkaufsdaten waren One-Way-Flüge aus Russland am Mittwoch schnell ausverkauft. Es gab unbestätigte Medienberichte, wonach einige Männer bei der versuchten Ausreise von russischen Grenzsoldaten zurückgewiesen wurden.
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