Premiere in Oper Graz

Eine dekadente Gesellschaft feiert den Untergang

Steiermark
25.09.2022 16:44

Angesichts der Eskalation im Ukraine-Krieg war die (lange zuvor getroffene) Entscheidung, Benjamin Brittens „War Requiem“ zur Saisoneröffnung der Grazer Oper auf den Spielplan zu setzten, wohl ein Goldgriff. Die szenische Umsetzung durch Regisseur Lorenzo Fioroni lässt allerdings einige Zweifel daran aufkommen.

Die Grazer Oper lädt zu einer Art Staatsbegräbnis auf die vergrößerte Bühne (für den Ausbau zeichnet Bühnenbildner Sebastian Hannak verantwortlich) und mischt ihr Publikum unter die grell überzeichneten Trauergäste, deren langwieriger Einzug zu Beginn eine beachtliche Geduldsprobe darstellt. Ganz leise und sehr im Hintergrund - das Orchester wurde an die Rückwand der offenen Hinterbühne verbannt - erklingt Brittens Requiem, in dessen strengen liturgischen Ablauf der Komponist aufwühlende Gedichte des im Ersten Weltkrieg gefallenen jungen Dichters Wilfried Owen eingefügt hat.

Störenfriede im Ritus der Beerdigung
Diese Parts gehören den beiden Eindringlingen in dieses schrille Treiben. Zwei Veteranen, der eine (Tenor Matthias Koziorowski) erinnert an das Phantom der Oper, der andere (Bariton Markus Butter) an Lemmy Kilmister, den legendären Kopf der Band Motörhead, stören mit ihren allzu drastischen Erinnerungen an Tod und Zerstörung den rituellen Ablauf einer Beerdigung aus Trauern, Lachen, Sich-Betrinken (hier noch mit Waffen herumballern) und Tanzen.

Dazu kommt noch eine Frau in Schwarz (Sopran Flurina Stucki), die sowohl als Verkörperung der trauernden Frauen und Mütter, als auch als der Tod selbst durchgehen kann,

Flurina Stucki (Sopran) und Matthias Koziorowski (Tenor) inmitten des Chors der Oper Graz. (Bild: Werner Kmetitsch)
Flurina Stucki (Sopran) und Matthias Koziorowski (Tenor) inmitten des Chors der Oper Graz.

Eine Einlage der Ballettschule (Choreografie: Beate Vollack) sowie der Auftritt der Singschul’ (Leitung: Andrea Fournier) ergänzen das bunte Treiben um Chor und Extrachor, die sich als veritable Schauspieler hervortun. Dass sie neben der ganzen „Action“, schließlich wird der ganze Publikumsraum mitbespielt, noch hervorragend singen, ist wohl der akribischen Arbeit mit Chordirektor Bernhard Schneider geschuldet. Auch die drei Solisten leisten hervorragende Arbeit, überzeugen in ihrer Wut, Verstörtheit und Trauer, die sie perfekt in ihren Gesang legübertragen können.

Rocky-Horror-Funeral-Show
Nur das ständige Herumgerenne, Murmeln, Lachen und Weinen der grotesken Gesellschaft aus Frauen mit künstlichen Brüsten und ausgestopften Hinterteilen sowie der lamettabehängten, falschbärtige Herren (Kostüme: Annette Braun) macht es einem unmöglich, die Musik zu hören. Was immens schade ist, denn Roland Kluttig und die Grazer Philharmoniker sowie Johannes Braun, der ein weiter vorne platziertes Kammerorchester leitet, leisten wunderbare Arbeit. Die aber in Fioronis Rocky-Horror-Funeral-Show gänzlich untergeht.

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