„Umsetzung langsam“

Fußball-WM in Katar bringt Arbeitsmarktreform

Fußball International
29.09.2022 07:30

Die Geschwindigkeit der Veränderung in Katar ist rasant. Die erstmalige Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft an ein arabisches Land hat der Entwicklung noch einen Schub gegeben. Nach Kritik aus dem Westen an den Arbeitsbedingungen der Migranten wurde eine Arbeitsmarktreform implementiert. Diese Reform werde sicher auch nach der WM bleiben, sagt der an der Georgetown University in Doha tätige Politologe Gerd Nonneman, „die Umsetzung wird aber langsamer vonstattengehen“.

Das Ziel des Emirats sei es jedenfalls, die Wirtschaft zu diversifizieren und sich auf das Ende des fossilen Zeitalters vorzubereiten. So setze man sehr stark darauf, das Emirat als Ausrichter von globalen Großveranstaltungen zu etablieren, erzählt der Belgier. Zudem glaubt er, dass nach der WM auch nicht mehr so viele Gastarbeiter gebraucht werden und sich die Bevölkerung von momentan 2,7 Millionen Einwohnern, wovon nur 300.000 katarische Staatsbürger sind, reduzieren werde. Auch müsse der ständige Wechsel der Gastarbeiter wohl beendet werden, da man so den Umstieg vom reinen Rohstoffexporteur hin zu einer Wissensgesellschaft nicht schaffen werde.

„Irritationen nicht vorbei“
Die vom großen Nachbarn Saudi-Arabien, gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und Ägypten, veranlasste Blockade habe Katar überstanden, „die Irritationen sind aber nicht vorbei“, sagt Nonneman. Katar sei es gelungen, auf keine der Forderungen der vier Staaten, etwa die Muslimbruderschaft als Terrororganisation einzustufen oder den Fernsehsender Al Jazeera abzudrehen, einzugehen. Schließlich habe der saudische De-Facto-Herrscher Mohammed bin Salman erkannt, dass sich die Blockade nicht auszahle, denn es seien seither mehr Gelder aus Saudi-Arabien abgeflossen als ins Land gekommen.

Katar sei zudem stets klar gewesen, dass man mit dem Nachbar Iran kooperieren müsse, da man gemeinsam ein großes Gasfeld ausbeute. Dennoch habe das Emirat die iranische Politik in Syrien immer kritisch gesehen und Gegner des Assad-Regimes finanziell unterstützt. Im Golf-Kooperationsrat hätten neben Saudi-Arabien nur Bahrain, ein sunnitisches Königreich mit schiitischer Bevölkerungsmehrheit, und Abu Dhabi ein Problem mit dem Iran. Seit der Finanzkrise als das Emirat Abu Dhabi das berühmtere Dubai finanziell retten musste, bestimme nämlich Abu Dhabi die Außenpolitik der VAE. Die Außenpolitik Kuwaits und des Oman sei hingegen ähnlich pragmatisch wie die Katars, sagt Nonneman.

(Bild: APA/AFP/KARIM JAAFAR)

Anerkennung Israels unvorstellbar
Als enger US-Verbündeter, habe sich Katar politisch immer so aufgestellt, dass es nicht als zu pro-westlich in der Region angesehen werde, betont der Golfregion-Experte. So unterstütze Katar etwa die Bevölkerung im von der Hamas kontrollierten Gaza-Streifen, allerdings nur in Absprache mit den USA und Israel. Eine diplomatische Anerkennung Israels, wie durch die VAE und Bahrain, sei aber ohne signifikante Fortschritte in der Palästina-Frage nicht vorstellbar, zeigt sich Nonneman überzeugt.

Auch die im Westen vielfach kritisierte Unterstützung der Muslimbruderschaft sei dem katarischen Pragmatismus geschuldet. Katar habe im Zuge des arabischen Frühlings richtig geschlussfolgert, dass nach dem Sturz der alten Regime Islamisten im politischen Prozess eine Rolle spielen würden. „In vielen Ländern waren die Muslimbrüder sehr pragmatisch“, so Nonneman. So würden sie seit Jahren in Jordanien im Parlament sitzen und auch in Ägypten hätten sie sich lange mit dem Regime arrangiert. Daher sei es eine logische Entscheidung gewesen, die Muslimbrüder als größte islamistische Gruppierung zu unterstützen, sagt der Politologe. „Dennoch war die Art und Weise, wie Katar islamistische Gruppierungen, wie etwa die Al-Nusra-Front in Syrien, unterstützte, oft etwas zu leichtfertig“.

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(Bild: KMM)



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