Wir fahren mit und hören zu. „Krone“-Reporter Robert Fröwein setzt sich auf die Taxi- oder Uber-Rückbank und spricht mit den Fahrern über ihre Erlebnisse, ihre Sorgen, ihre Ängste. Menschliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Bei Habibullah dreht sich alles um vier Räder. Seit seinen frühen Kindheitstagen interessiert er sich für motorisierte Mobile aller Arten und wusste schon früh, dass sein Berufsweg unweigerlich in diese Richtung führen würde. Nun kann natürlich nicht jeder Autonarr zum nächsten Max Verstappen aufsteigen, aber mit dem maskulinen Geschwindigkeitsbolzen hatte der sympathische Mittdreißiger ohnehin nie was am Hut. Habibullah bewegt sich auf Wiens Straßen lieber im Bereich des Legalen und tut dies in vielfacher Ausführung. Der Vergleich mache jedenfalls sicher, wie er lachend betont, „von allen Varianten, die ich auf der Straße in unterschiedlichen Jobs ausprobiert habe, ist Taxifahren mit Abstand die beste.“
Dringend hinzugefügt werden muss aber die Tatsache, dass der gebürtige Iraner seit wenigen Monaten selbstständig ist und sich damit ein Maximum an Freiheit erarbeitet hat. „Ich fahre seit ungefähr drei Jahren Mietwagen und Taxis und mich hat es immer genervt, dass ich mir die Zeit nie so einteilen konnte, wie ich es gerne wollte.“ Den Gewerbeschein habe er relativ schnell in der Tasche gehabt, erklärt er stolz, mit dem Taxischein, der während der Pandemie dann auch für Mietwagenfahrer verpflichtend wurde, sah es schon etwas anders aus. „So viele Hürden, so viel zu lernen. Es war nicht leicht, aber ich habe mich durchgekämpft und bin nun so frei, wie ich es immer sein wollte.“
Habibullah fährt ausschließlich Tagschichten und gönnt sich zumeist freie Wochenenden. „Ich bin verantwortlich für mein Auto, meine Schichten und mein Einkommen. Möglicherweise könnte ich etwas mehr verdienen, wenn ich Freitag- und Samstagabend unterwegs bin, aber mir sind Freizeit und Lebensqualität wichtiger. Meine Frau war schon damals nicht sonderlich begeistert, als ich noch für andere fuhr. Da kann ich jetzt nicht als Selbstständiger in der Nacht herumgondeln.“ Das Beziehungsleben sei sowieso nicht immer einfach, fügt er schmunzelnd hinzu. „Das wirklich Schlimme an Corona war, dass jetzt alle Leute online einkaufen. Seitdem bestellt meine Frau noch viel mehr und ich komme mit dem Bezahlen nicht mehr hinterher.“
Eine adäquate finanzielle Unterlage gerät in solchen Fällen sicher nicht zum Nachteil, auch deshalb war der Schritt in die Selbstständigkeit für Habibullah der richtige. „Natürlich muss ich mich mehr mit Steuern herumplagen und habe abseits des Fahrens mehr zu tun, aber ich verdiene auch mit den normalen Schichten immer an die 2500 Euro netto im Monat. Es sind wieder viele Touristen in der Stadt. Wien ist vor allem im Sommer aufgeblüht und das habe ich als Fahrer positiv gespürt. Dass die Pandemie jetzt zu einem großen Teil vorbei ist, ist wichtig für uns alle.“ Von diesem Verdienst konnte er vor einigen Jahren nur träumen, auch wenn er seine älteren Jobs noch gut in Erinnerung hat.
„Zuerst war ich für einen Paketdienst unterwegs. Es war unheimlich stressig, weil man es an einem Arbeitstag fast nicht schafft, auf den vorgegebenen Routen alles auszuliefern. Zudem warten die Kunden meist hart darauf und werden schnell unruhig, wenn man erst mittags oder nachmittags kommt.“ Kurz darauf heuerte Habibullah bei den Wiener Lokalbahnen an und transportierte Menschen mit Behinderungen. „Es war ein guter Job, aber manchmal haben die Tage zehn bis zwölf Stunden gedauert und man stieg mit maximal 1400 Euro netto aus. Das war mir für den Aufwand zu wenig, zumal alles immer teurer wird.“ Nach drei Jahren als Angestellter im Taxi ist er nun seit ziemlich genau drei Monaten völlig unabhängig. „Es ist nicht immer leicht, das gebe ich zu, aber ich würde niemals mehr tauschen wollen.“
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